Hohe Zinssätze haben es den Banken ermöglicht, Bargeldreserven für Übernahmen aufzubauen, obwohl nationale Bedenken europaweite Geschäfte behindern könnten.
In der europäischen Bankenlandschaft wimmelt es von Übernahmegesprächen.
Die italienische UniCredit mit Andrea Orcel an der Spitze baut derzeit ihre Beteiligung aus Die deutsche Commerzbanknachdem es seine Reichweite in Rumänien erweitert hatte.
Die französische BNP Paribas hat unterdessen ein Auge auf den Versicherer AXA geworfen – während BBVA mit Hochdruck daran festhält Angebot für Sabadell.
Kurz gesagt, Bankenfusionen sind derzeit „heiß“ – in den Worten von Hyder Jumabhoy, M&A-Partner bei White & Case.
Für 2025 sehen sie „glühend heiß“ aus – sagte er gegenüber Euronews.
Warum die aktuelle Aufregung?
Im Zuge der Finanzkrise 2008 verlangsamten sich Fusionen und Übernahmen im Bankensektor der Eurozone deutlich.
Nach einer Ära aggressiver Expansion konnten Banken nicht mehr Geschäfte mit dem gleichen Appetit abschließen – eingeschränkt durch strengere Finanzbedingungen und Regulierung.
Zwischen dem Jahrzehnt vor der Krise und dem Zeitraum von 2008 bis 2020 gingen die M&A-Transaktionen im Bankensektor gemessen an den übertragenen Vermögenswerten um rund zwei Drittel zurück.
Obwohl die Regulierung weiterhin streng ist, sind die Zinssätze mittlerweile einer der Faktoren, die zu einem Anstieg der Deals führen.
In einer Hinsicht haben die hohen Kreditkosten in den letzten Jahren dazu geführt, dass Banken erhebliche Gewinne erwirtschaften konnten, was ihre Lust auf Übernahmen steigerte.
Ein Zeichen der Verbesserung der Gesundheit ist der Entzug der staatlichen Unterstützung für zuvor gerettete Kreditgeber.
Der italienische Staat trennt sich beispielsweise von seiner Beteiligung an MPS, während die britische Regierung aus NatWest aussteigt.
Der jüngste Rückgang der Kreditkosten ist auch der Grund für ein gestiegenes Interesse an Fusionen und Übernahmen – da Kreditgeber nach Möglichkeiten suchen, ihre Einnahmequellen zu diversifizieren.
Laut Hyder Jumabhoy ist dies besonders wichtig, da sich die Bankgewohnheiten ändern.
„Kunden wollen jetzt nicht mehr ein Produkt bei Ihnen kaufen, sondern sechs Produkte“, erklärte er.
„Das bedeutet, dass viele große Banken tatsächlich mehrere Marken unter ihrem Dach betreiben.“
Fusionen können es Kreditgebern ermöglichen, ihr Fachwissen zu bündeln und somit den Verbrauchern zugute kommen, vorausgesetzt, der Wettbewerb auf dem Markt bleibt gesund.
Bei internationalen Fusionen kann die Konsolidierung von Nischen auch bedeuten, geografisches Know-how zu teilen.
Grenzüberschreitende Feindseligkeit
Die Schaffung leistungsstarker Banken ist wohl eine Möglichkeit für die Eurozone, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, wenn diese Kreditgeber besser in der Lage sind, in Innovationen zu investieren.
„Größe ist wichtig für die Fähigkeit von Banken, im globalen Wettbewerb zu bestehen“, sagte Marco Troiano, Leiter Finanzinstitute bei Scope Ratings.
„Beim Investmentbanking zum Beispiel möchte man in der Lage sein, eine sehr große Bilanz zu halten, damit man Engagements verwässern kann“, sagte er gegenüber Euronews.
Nach Ansicht einiger Experten ist ein Faktor, der die Expansion des Bankensektors einschränkt, eine inländische Denkweise – gepaart mit einer Feindseligkeit gegenüber grenzüberschreitenden Fusionen.
Zahlen der EZB zeigen, dass von 1999 bis 2020 rund 80 % aller abgeschlossenen Bank-M&A-Deals im Euroraum innerhalb eines Landes stattfanden.
Diese Vorliebe für „nationale Champions“ zeigt sich in Deals, die derzeit für Schlagzeilen sorgen.
Bundeskanzler Olaf Scholz beispielsweise hat sich gegen die mögliche Übernahme der deutschen Commerzbank durch den italienischen Kreditgeber UniCredit ausgesprochen.
„Feindliche Angriffe (und) feindliche Übernahmen sind für Banken nicht gut“, sagte Scholz im September.
Dies hing zum Teil mit der Art und Weise zusammen, wie UniCredit seinen Anteil heimlich ausbaute.
In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron unterdessen seine Unterstützung für eine internationale Fusion zum Ausdruck gebracht – theoretisch.
In seiner Rede am Rande des „Choose France“-Gipfels Anfang des Jahres bekräftigte der Präsident seine langjährige Unterstützung für die Finanzintegration.
„Als Europäer zu handeln bedeutet, dass man als Europäer eine Konsolidierung braucht“, sagte Macron.
Auf die Frage, ob er bereit wäre, den hypothetischen Verkauf der französischen Bank Société Générale an die spanische Santander zu akzeptieren, antwortete er: „Natürlich.“
Auch mit politischem Segen stehen grenzüberschreitende Geschäfte immer noch vor bürokratischen Hürden.
EU-Projekte, die dieses Problem angehen wollen, etwa das gemeinsame Einlagensystem, kommen nur langsam voran.
Risiko kontrollieren
Auch bei der Gründung großer grenzüberschreitender Banken muss Stabilität gewährleistet sein Schlüsselüberlegung – so Thierry Philipponnat, Chefökonom der NGO Finance Watch.
Internationale Geschäfte könnten dazu führen, dass Banken „too big to fail“ (TBTF) seien, so argumentierte er, was bedeutete, dass ihr Zusammenbruch katastrophale Folgen für die Gesamtwirtschaft hätte.
„Banken sind global im Leben und national im Tod“, warnte er und zitierte dabei den ehemaligen Gouverneur der Bank of England, Mervyn King.
Mit anderen Worten: Oftmals greifen nationale Regierungen ein, um insolvente Banken zu retten, auch wenn sie in ihrer Blütezeit möglicherweise von internationaler Unterstützung profitiert haben.
Die Frage, ob Europas Banken Risiken effizient managen, wird jedoch immer noch heiß diskutiert.
„Fusionen sind äußerst gut reguliert“, sagte Marco Troiano. „Banken verfügen über viel Liquidität und es gibt viele Backstops.“
Er fügte hinzu, dass Fusionen und Übernahmen auch eine Möglichkeit sein könnten, die Stabilität zu verbessern und „eine bessere Risikoverteilung zwischen den Ländern“ zu schaffen.
Einige Stimmen, denen TBTF nicht so sehr am Herzen liegt, meinen sogar, dass Europa zu risikoscheu sei und dadurch internationalen Wettbewerbern einen Vorteil verschafft.
US-Banken planen insbesondere eine Ära der Deregulierung unter einer zweiten Trump-Präsidentschaft, die wahrscheinlich zu einer Zunahme der Fusionsaktivitäten führen wird.
Auf der anderen Seite des Atlantiks steht Europa dennoch vor seinem eigenen Aufruhr.
„Größere Deals liegen jetzt auf dem Tisch und werden in Echtzeit ausgehandelt“, sagte Hyder Jumabhoy.
„Paneuropäische Konsolidierungen werden voraussichtlich in der ersten Hälfte des nächsten Jahres angekündigt.“