Cum-Ex-Affäre
Ermittlungen gegen Scholz-Vertrauten: offenbar Wende
23.12.2024 – 03:37 UhrLesedauer: 2 Min.
Über 214.000 Euro hatte ein einflussreicher früherer SPD-Politiker in seinem Schließfach. Eine Verbindung zur Cum-Ex-Affäre?
Die Staatsanwaltschaft Köln hat laut einem Medienbericht ihre Ermittlungen gegen den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs eingestellt. Die Kanzlei, die Kahrs in der Sache vertreten hatte, teilte dem „Abendblatt“ am Wochenende mit, dass das Verfahren gegen den früheren Vertrauten des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) in der Cum-Ex-Affäre ohne Auflagen eingestellt worden sei.
Und das demnach schon am 6. Dezember wegen „mangels hinreichenden Tatverdachts“. Eine Bestätigung der Kölner Staatsanwaltschaft stand zunächst aus. Die Ermittler aus dem Rheinland hatten den früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten im Verdacht, an schwerer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Hamburger Warburg Bank beteiligt gewesen zu sein.
Kahrs galt bis zu seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 2020 als einflussreicher politischer Strippenzieher in Hamburg.
Mithilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren – Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin- und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der Bundesgerichtshof Cum-Ex als Straftat.
Seit 2021 hatten Fahnder Wohnungen durchsucht, Schließfächer geöffnet und zahlreiche Unterlagen ausgewertet – darunter auch Tagebücher des Warburg-Chefs Christian Olearius. Der Verdacht: Kahrs habe dem Banker politische Kontakte, unter anderem auch zu Scholz, damals Erster Bürgermeister in der Hansestadt, vermittelt und damit rechtswidrige Steuererstattungen begünstigt. In einem Hamburger Schließfach hatten Ermittler 214.800 Euro gefunden, die Kahrs gehören sollen. Woher das Geld stammt, bleibt unklar.
Der genaue Inhalt der Treffen zwischen Olearius und Scholz ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.
Das jüngste Verfahren gegen Olearius war im Sommer am Landgericht Bonn eingestellt worden: Grund dafür ist die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Staatsanwältin Stephanie Kerkering kündigte noch im Gerichtssaal an, dass man in Revision gehe. Olearius beteuert seine Unschuld.
Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Staatsanwältin Kerkering erläuterte zur angestrebten Revision zum Bundesgerichtshof, dass man sich so den Weg offenhalte, um ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten.
Zu Cum-Ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen.