Showdown in Grünheide
Personal-Beben bei Tesla
17.12.2024 – 17:49 UhrLesedauer: 3 Min.
Bei dem Produzenten von Elektroautos in Brandenburg eskaliert eine interne Auseinandersetzung. Die Gewerkschaft greift nun zu ungewöhnlichen Mitteln.
Die IG Metall hat beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) die Absetzung der Tesla-Betriebsratsvorsitzenden Michaela Schmitz beantragt. Der Vorwurf lautet auf „grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten“. Schmitz soll Entscheidungen eigenmächtig getroffen, Anträge der Gewerkschaft ignoriert und einen Gewerkschaftsvertreter unrechtmäßig aus einer Sitzung verwiesen haben.
Der Streit um die Arbeitsbedingungen im Tesla-Werk in Grünheide spitzt sich damit weiter zu. In einer Umfrage der IG Metall klagten im Herbst 80 Prozent der befragten Tesla-Beschäftigten über Überlastung. 60 Prozent gaben an, regelmäßig Schmerzen bei der Arbeit zu haben, 90 Prozent befürchten, die Belastung bis zur Rente nicht durchzuhalten. Tesla stellt sich dagegen: Man biete gute Arbeitsbedingungen, Zusatzleistungen und wettbewerbsfähige Löhne.
Doch der E-Autobauer zahlt keine Tariflöhne. Solche Tarifverträge hätten das Potenzial, „Firmen zu spalten“, sagte Musk bei einem Besuch in Grünheide. Er stellte sich indirekt gegen die IG Metall und sprach von einer „externen Instanz, deren Interessen vielleicht nicht mit denen von Tesla übereinstimmen“.
Die Auseinandersetzung zwischen Tesla und der IG Metall begann bereits bei der Gründung des Betriebsrats 2022. Damals waren in Grünheide noch kaum Fabrikarbeiter beschäftigt und es dominierte eine Gruppe, die laut IG Metall vor allem aus managementnahen Kandidaten bestand. Schmitz, zuvor Managerin, wurde an die Spitze gewählt. Wie Musk hält auch sie nichts von einem Tarifvertrag – untypisch für die Chefin eines deutschen Betriebsrats.
Im März dieses Jahres wurde Schmitz erneut bestätigt – 40 Prozent der Sitze gingen jedoch an die Kandidatenliste der IG Metall. Sie machten im Wahlkampf Stimmung gegen Schmitz und forderten, dass der Betriebsrat „ohne Wenn und Aber“ die Interessen der etwa 11.000 Beschäftigten durchsetzen müssten.
Nun werfen die IG Metall und ihre Anwälte Schmitz vor, die Betriebsratsarbeit zu behindern. Ein zentraler Streitpunkt ist der Umgang mit Krankmeldungen. Infolge des hohen Krankenstandes sollen die Chefs des Tesla-Werks in Grünheide krankgeschriebenen Mitarbeitern Kontrollbesuche abgestattet haben. Zudem verlange Tesla von erkrankten Mitarbeitern nicht nur eine Mail, sondern auch einen IT-Eintrag und einen persönlichen Anruf. Diese Praxis habe zu hunderten Abmahnungen geführt.
Die IG Metall kritisiert, das schüre ein Klima der Angst. Der Vorschlag der Gewerkschaft, Krankmeldungen per Betriebsvereinbarung zu vereinfachen, wurde von der Mehrheit des Betriebsrats abgelehnt. Stattdessen verschickte Schmitz eine Mail an die Belegschaft mit dem Satz: „Lasst euch nicht verarschen!“ Der Entwurf der Betriebsvereinbarung sei „amateurhaft“. Die „Macher im Betriebsrat“ arbeiteten an einer praktikablen Lösung.
Laut Gerichtsantrag hat Schmitz zudem eigenmächtig für den Betriebsrat gesprochen. Sie habe Berichte ohne Abstimmung mit dem Gremium veröffentlicht und Tagesordnungsvorschläge der IG Metall ignoriert oder verschleppt. So sei ein Antrag auf zusätzliche Pausen zur Entlastung der Mitarbeiter nicht behandelt worden, obwohl 90 Prozent der Befragten in der IG-Metall-Umfrage angaben, solche Erholzeiten zu benötigen.
Besonders kontrovers verlief eine Sitzung im Mai, an der auch Mario Tremmel, Sekretär der IG Metall, teilnahm. Tremmel kritisierte, dass Teilzeitkräfte und Leiharbeiter keine Boni erhielten und dass bei Krankheit Boni gekürzt würden. Schmitz verwies ihn daraufhin aus der Sitzung. Die IG Metall sieht darin einen klaren Rechtsverstoß, da Berater das Recht haben, ihre Meinung in Sitzungen zu äußern.
Tesla selbst hat zu den aktuellen Vorwürfen keine Stellung genommen. Der Werksleiter hatte jedoch in der Vergangenheit erklärt, ein hoher Krankenstand sei nicht hinnehmbar. In Spitzenzeiten liegt er laut IG Metall in einigen Teams bei 50 Prozent.
Dirk Schulze, Regionalleiter der IG Metall, rechtfertigt die juristische Eskalation: „Das ist nicht das normale Vorgehen der IG Metall. Aber was wir bei Tesla beobachten, hat System. Die Rechtsverstöße müssen aufhören.“
Die Entscheidung über die Absetzung von Michaela Schmitz liegt nun beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder). Ein Urteil könnte weitreichende Folgen für das Machtgefüge im Betriebsrat haben. Gleichzeitig bleibt der Grundkonflikt um Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung im Tesla-Werk ungelöst.