Beim Auftakt in die Heim-EM zeigte Torwart Andreas Wolff eine bärenstarke Leistung. Damit lieferte er mehr als nur ein starkes persönliches Comeback.
Aus Düsseldorf berichtet Nils Kögler.
Wer sich aktuell in deutschen Wäldern aufhält, der könnte unter Umständen eine unangenehme Begegnung mit dem Wolf machen. Wer sich am Mittwochabend in der Merkur Spiele-Arena in Düsseldorf auf den Weg Richtung deutsches Tor machte, auch. Denn während die Rückkehr des Wolfes die Bevölkerung auf dem Land vielerorts in Angst und Schrecken versetzt, war es Deutschlands Handball-Torwart Andreas Wolff, der beim EM-Eröffnungsspiel den Schweizer Torjägern das Fürchten lehrte und die Rekord-Kulisse von 53.586 Zuschauern von den Sitzen riss.
Als sich Wolff in der 52. Minute bei einer deutlichen Führung in den wohlverdienten Feierabend verabschiedete und von Ersatzmann David Späth ersetzt wurde, erhob sich die ganze Arena von ihren Sitzen, um den deutschen Schlussmann mit ohrenbetäubenden Standing Ovations zu verabschieden. Verdient hatte sich Wolff den tosenden Beifall mit einer bärenstarken Leistung, bei der er über 60 Prozent der Würfe auf sein Tor abwehrte, in einer Phase ganze 15 Minuten ohne Gegentor blieb und so den Grundstein für den deutlichen 27:14-Auftaktsieg gegen die Eidgenossen aus der Schweiz legte. Damit beendete er persönlich ein beeindruckendes Comeback, an dem es noch vor wenigen Monaten Zweifel geben durfte – und weist den Weg zu einer erfolgreichen Heim-EM.
Bandscheibenvorfall bremste Wolff aus
Noch vor fünf Monaten stand Wolff vor einer ungewissen Zukunft. Der 32-jährige Schlussmann vom polnischen Klub KS Kielce zog sich im August einen Bandscheibenvorfall zu und fiel ganze drei Monate lang aus. Es war alles andere als der perfekte Anlauf für die bevorstehende Heim-EM. Für die beiden Testspiele gegen Ägypten im November wurde Wolff gerade noch rechtzeitig fit und musste sich erst langsam wieder einfinden.
So durfte sich neben dem 39-jährigen Routinier Silvio Heinevetter auch Neuling David Späth über Spielzeit freuen. Der erst 21-jährige Schlussmann von den Rhein-Neckar Löwen hatte im Sommer 2023 die U21-Weltmeisterschaft gewonnen und sich die Berufung in die A-Mannschaft durch eine starke Saison im Verein verdient. So hatte er dort etwa Joel Birlehm zunehmend aus dem Tor verdrängt, der bei der WM im vergangenen Jahr noch ein eingespieltes Duo mit Wolff in der Nationalmannschaft gebildet hatte.
Vom Jungstar verdrängt?
Sollte ein ähnliches Schicksal nun auch Wolff im DHB-Tor drohen? Es schien zumindest nicht mehr ausgeschlossen. Nicht umsonst wurde die Frage nach der Chemie des Duos Wolff/Späth im Vorfeld der EM gerne gestellt. Beide Torhüter betonten jedoch stets ihr gutes Verhältnis.
Und tatsächlich: Sowohl in den Testspielen als auch nun beim EM-Auftakt feuerte Späth seinen älteren Positionskollegen leidenschaftlich an. Immer wieder steckten sie auch während der Spiele die Köpfe zusammen, um sich zu beraten.
Gíslason: „Phänomenale Leistung“
Wolff selbst fand dabei schnell zurück zu alter Form. Schon in den letzten Testspielen gegen Portugal präsentierte er sich als sicherer Rückhalt für die Nationalmannschaft. Im Eröffnungsspiel gegen die Schweiz setzte er seinem Comeback mit einer offiziellen Abwehrquote von 61 Prozent nun die Krone auf. Zum Vergleich: Der Schweizer Keeper Nikola Portner wurde ebenfalls für ein starkes Spiel gefeiert – mit einer Abwehrquote von 31 Prozent.
Wenn es nach Bundestrainer Alfred Gíslason geht, soll Wolffs Leistung dabei noch beeindruckender gewesen sein. „Die offizielle Statistik sagt 61 Prozent, unsere sogar 64 Prozent, wir haben noch ein, zwei Bälle mehr gesehen“, sagte er nach dem Spiel und bescheinigte Wolff eine „phänomenale Leistung“.
„Da können wir uns bei ihm bedanken“
Gerade zu Beginn der Partie hatte die deutsche Nationalmannschaft einen starken Wolff auch bitternötig. Denn offensiv war das Spiel der Deutschen von vergebenen Chancen geprägt und auch die Defensive stand in den Anfangsminuten noch nicht ganz sattelfest. „Die Leistung war auch phänomenal, weil viele dieser Würfe frei waren – ohne Abwehr“, so Gíslason über Wolff.
Video | Wolffs Weltklasse-Paraden – Die Highlights im Video
Quelle: ARD/ZDF