Es handle sich um ein „Jahrzehnte-Projekt“, sagt der Rechtsextremist Martin Sellner und meint seinen Plan, Menschen mit Migrationshintergrund zu vertreiben. Wie gefährlich sind die Ideen?
Das Wichtigste im Überblick
Eine Gruppe Rechter und Rechtsextremer trifft sich im November in Potsdam. Sie sprechen über „Remigration“, wollen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertreiben und meinen damit auch diejenigen, die eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Das berichtet das Recherchenetzwerk „Correctiv“.
Bei dem Treffen in Potsdam sollen unter anderem einflussreiche AfD-Politiker und Mitglieder der „Identitären Bewegung“ anwesend gewesen sein. Doch was genau ist die „Identitäre Bewegung“, was verstehen ihre Unterstützer unter „Remigration“ und wie gefährlich sind die Pläne des Potsdamer Treffens? Ein Überblick.
Was ist die „Identitäre Bewegung“?
Die „Identitäre Bewegung“ (IB) ist eine Gruppierung neurechter und rechtsextremer Aktivisten. Sie sieht sich selbst laut Verfassungsschutzbericht als „außerparlamentarische“ und „patriotische Jugendbewegung“. Die IB ist in Frankreich entstanden und seit 2012 auch in Deutschland aktiv. Im Jahr 2022 hatte die Gruppierung laut Verfassungsschutz etwa 500 Mitglieder. Die Aktivisten sind eng in rechte Strukturen und auch in die rechte Parteienlandschaft vernetzt.
Der bei der Veranstaltung in Potsdam anwesende Martin Sellner ist ein österreichischer Rechtsextremist, bis 2023 war er Sprecher der „Identitären Bewegung Österreich“. Auch in Deutschland ist er als Akteur der Neuen Rechten bekannt.
Die IB vertritt das rechte Konzept des „Ethnopluralismus“, nach dem angeblich unterschiedliche „Völker“ oder „Kulturen“ existieren, die eine eigene Identität besitzen und sich nicht vermischen dürften. Eine typische Parole, die daran angelehnt ist und die von vielen Rechtsextremen genutzt wird, ist beispielsweise „Deutschland den Deutschen“.
„Ethnopluralismus“ ist eine Form von Rassismus. Minderheiten wird ein geringerer Wert zugesprochen. Die IB zielt laut Verfassungsschutz darauf ab, vor allem Menschen mit außereuropäischer Herkunft „in einer ihrer Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“. Auch das rechtsextreme Bild des „Großen Austauschs“ bedient die IB regelmäßig.
Die Erzählung vom „Großen Austauschs“
Der Begriff bezeichnet ein Narrativ der Neuen Rechten. Sie behaupten, dass die „eingeborene“ Bevölkerung Europas durch Migration insbesondere aus afrikanischen Ländern und dem Nahen und Mittleren Osten ausgetauscht werden solle. Innerhalb der Neuen Rechten wird dies sowohl als bewusst gesteuerter Prozess dargestellt, der oftmals mit Verschwörungstheorien einhergeht, als auch als Ergebnis demografischer Entwicklungen. Besonders die synonym verwendete Formulierung „Umvolkung“ bezieht sich direkt auf den gleichlautenden nationalsozialistischen Begriff.
„Die inhaltlichen Positionen der Identitären Bewegung Deutschland und ihre darauf aufbauende Agitation stellen eine Missachtung der im Grundgesetz garantierten Menschenrechte dar, insbesondere der Menschenwürde sowie des Diskriminierungsverbots“, schreibt der Verfassungsschutz. Unter anderem das für die IB charakteristische Schlagwort „Remigration“ sei demnach ausländer- und islamfeindlich.
Was genau verstehen ihre Anhänger unter „Remigration“?
Die IB, die AfD und andere Rechte nutzen den Begriff „Remigration“ regelmäßig und meinen damit die Rückführung aller, die nicht in ihr „ethnopluralistisches“ Bild passen. Mit dem Begriff der „Remigration“ verschleiern sie diese Auffassung, wirkt es doch nach außen, als sei die Rückführung von Menschen mit abgelehnten Asylanträgen gemeint. Die IB sieht „Remigration“ aber als Antwort auf die Verschwörung des „großen Austauschs“.
Das zeigen auch die Recherchen von „Correctiv“. Gernot Mörig, Organisator des Treffens in Potsdam, erklärt demnach, die einzige Frage, die die Rechten zusammenführe, sei die Frage der Remigration: nämlich „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“ – eine direkte Anspielung auf das Narrativ des „großen Austauschs“.
Das Konzept von Sellner zielt laut „Correctiv“ auf drei Gruppen von Menschen mit Migrationsgeschichte ab: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Unter Assimilation wird die vollständige Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft bei Verlust von Sprache und Kultur des Herkunftslandes verstanden.
Sellner spricht dem Bericht zufolge davon, „die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“ und teilt die Gesellschaft mit seinen Plänen in diejenigen auf, die in Deutschland leben sollen und diejenigen, die das aus seiner Sicht nicht dürfen, obwohl die Grundrechte ihnen das zugestehen. Das bedeutet am Ende, dass Menschen, die die vermeintlich „falsche“ Herkunft oder Hautfarbe haben, aus Deutschland vertrieben werden sollen – auch, wenn sie deutsche Staatsbürger sind.