Die SPD setzt ein Zeichen gegen das Umfragetief: Bei ihrer „Wahlsiegkonferenz“ in der Berliner Parteizentrale beschwört die SPD-Spitze Geschlossenheit und Optimismus – und Kanzler Scholz holt zum Rundumschlag aus.
Ein Satz von SPD-Chef Lars Klingbeil an diesem Samstag bringt die Stimmung in der Partei auf den Punkt: „Wenn die SPD eines kann, dann ist es Kämpfen.“ Die schlechten Umfragewerte, die zerbrochene Ampel, die Hoffnung auf eine Wende im Wahlkampf: Den aktuellen Gemütszustand der Kanzlerpartei will die SPD-Spitze vor allem durch Geschlossenheit und die Beschwörung des gemeinsamen Kampfgeistes heilen.
Wohl auch deswegen hat sie gerade das Wort „Kämpfen“ bundesweit auf die Wahlplakate gedruckt. Denn an einen Wundersieg wie 2021, als die SPD erst wenige Wochen vor der Wahl die Wende schaffte, glaubt heute kaum einer. Damals gelang das hauptsächlich wegen der Patzer der politischen Konkurrenz.
Auf der „Wahlsiegkonferenz“ in der Berliner Parteizentrale soll aus den Aufrufen zum Kämpfen nun eine umsetzbare Strategie geformt werden. Aus allen Wahlkreisen Deutschlands sind die SPD-Kandidierenden angereist, um über die Kampagne zu beraten und einander Mut zu machen.
Die Stimmung im Willy-Brandt-Haus ist vergleichsweise gut: eine Mischung aus Klassentreffen und Wohlfühlveranstaltung. Genau das brauche die SPD jetzt, so ein Genosse zu t-online. Die SPD liegt bei 15 Prozent in den Umfragen, weit abgeschlagen hinter der Union. Ohne Moral und Kampfgeist, das wissen die Genossen, lässt sich der Vorsprung kaum einholen.
Für die Motivierung der Basis und der Wahlkämpfer an den Infoständen ist an diesem Samstag vor allem ein Mann zuständig: der Kanzler und Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz. Auf ihm ruhen alle Hoffnungen, in den nächsten 85 Tagen die Umfragen doch noch zu drehen und die Neuwahl am 23. Februar für sich zu entscheiden.
Umso bemerkenswerter ist der Beginn seiner mit Spannung erwarteten Rede: Scholz beginnt ziemlich düster: „Die Zeiten sind ernst, verdammt ernst sogar. Wir erleben fundamentale Umbrüche und Krisen.“ Scholz spricht von „Krieg in Europa – nur zwei Flugstunden von hier“, von wirtschaftlichen Verwerfungen, von wachsendem Extremismus.
Es ist das Präludium für seine Hauptbotschaft an diesem Tag: In solchen ernsten Zeiten brauche es ernsthafte Politiker, denen es um die Sache gehe. „Keine Spieler, keine Zocker.“ Daher sei es richtig gewesen, dass er Ex-Finanzminister Christian Lindner vor die Tür gesetzt habe.
Dass er den Rauswurf Lindners und den Ampelbruch an den Anfang stellt, hat einen einfachen Grund: Scholz will und muss eine Verteidigungslinie entwickeln, warum er für verlässliche Politik und gutes Regieren steht, wo er doch zugleich der Chef einer gescheiterten Koalition ist. Das Scharnier zu diesem Widerspruch bildet Christian Lindner: Indem der Kanzler ihn als verantwortungslose Spielernatur hinstellt, kann er das vorzeitige Ende seiner Regierung der FDP in die Schuhe schieben. Nach dem Motto: Er wurde von Anfang an getäuscht, noch einmal werde ihm das nicht passieren.
Scholz hält eine ursozialdemokratische Rede. Er stellt den Kampf um sichere Industriearbeitsplätze und die Stärkung der deutschen Wirtschaft nach vorn. Verspricht einen hundert Milliarden Euro schweren Deutschlandfonds, mit dem die notwendigen Investitionen in Infrastruktur, Kita-Plätze und bezahlbare Mieten finanziert werden können.
Auch bei der Steuerreform bestellt der Kanzler routiniert das Feld der Sozialdemokratie: Die mit den „allerhöchsten Einkommen“ müssten etwas stärker in die Pflicht genommen werden, um die anderen zu entlasten. Das sei gerecht und helfe bei der Modernisierung des Landes. Immer wieder attackiert er hier die Union und deren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, der Scholz zufolge nur eine Politik für Besserverdienende mache.
Genüsslich nimmt der Kanzler die tatsächlichen und vermeintlichen Kürzungsvorschläge der Union auseinander: Die Merz-CDU wolle das Deutschlandticket abschaffen, die Erhöhung des Kindergeldes verzögern, ebenso die Abmilderung der kalten Progression. Eine vierköpfige Familie habe dann mal leicht 80 oder 100 Euro weniger im Monat. Scholz zielt auf den CDU-Chef: „Klar, Herr Merz kann sechs Monate lang auf 100 Euro verzichten. Aber viele können das nicht!“ Applaus im Saal brandet auf, genau das wollen die Genossen von ihrem Kanzlerkandidaten hören.