Während die CSU sich zu ihrem politischen Jahresauftakt trifft, spitzen sich die Proteste gegen die Ampel zu. Die Konservativen müssen sich entscheiden, wie weit sie den Ärger und den Hass nutzen – und wo sie die Grenze ziehen.
Es regnet, als Alexander Dobrindt und Markus Söder am Samstag in ihren dicken Winterjacken vor die Presse treten. Der Himmel ist grau, die Luft nass. Eigentlich ist das Kloster Seeon, in dem sich die CSU traditionell zu ihrem politischen Jahresauftakt trifft, eine bayerische Postkarten-Kulisse. An diesem Wochenende sieht es selbst hier trist aus.
„Wir haben Ampelwetter“, sagt Dobrindt und verzieht die Mundwinkel zu einem Grinsen. „Wenn die weiter regieren, werden wir uns alle wärmer anziehen müssen.“
Der CSU-Politiker weiß um die Stimmung im Land. Dass deutschlandweit gegen die Ampel protestiert wird, Olaf Scholz sich bei einem Besuch im Hochwassergebiet als „Verbrecher“ und „Verräter“ beschimpfen lassen musste. Auch hier in Bayern gibt es heftige Kritik an der Ampel in Berlin. Also sagt Dobrindt: „Deutschland braucht Chancen statt Scholz.“ Die CSU habe Verständnis für die Proteste. „Das kommt einfach davon, dass ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt keine Hoffnung mehr hat“, fügt Söder hinzu. Im Fußball wäre es der Zeitpunkt für einen Trainerwechsel – der Trainer sei in diesem Fall Scholz.
Eigentlich antworten CDU und CSU auf die Frage, warum die Unzufriedenheit mit der Ampel nicht mehr auf das eigene Konto einzahlt, bislang immer so: „Wir sind keine Protestpartei.“ Jetzt scheint man es doch noch einmal probieren zu wollen.
Die Stimmung droht zu kippen
Verwundern muss einen das nicht. Die gesellschaftliche Stimmung im Land verschlechtert sich seit Wochen. Der Ton wird rauer. Die Kritik an der Ampel nimmt zu, vor allem auf dem Land, unter den Bauern. Anlass für den Ärger der Landwirte ist der vom Bundesverfassungsgericht gekippte Haushaltsplan der Ampel – der sie nun zum Sparen zwingt: Den Bauern sollten Subventionen, unter anderem für Agrardiesel, gestrichen werden.
Für die Union ein gefundenes Fressen. „Das ist ein harter Schlag gegen die Landwirtschaft und gegen die ländlichen Räume in Deutschland“, erklärte zuletzt etwa CDU-Chef Friedrich Merz. Viele äußerten sich ähnlich, manche griffen zu noch härterer Rhetorik. Söder nahm sogar ein Video mit einem der Landwirte auf. Nachdem der seine Kritik an der Ampel geäußert hat, unterstreicht der CSU-Chef in dem Clip: „Wir stehen hinter den Bauern.“
Auch bei ihrer Klausur in Kloster Seeon versucht die CSU, die schlechte Stimmung gegen die Ampel für sich zu nutzen. Söder und Dobrindt unterstreichen mehrfach, wie sehr die Regierung dem Land schade. Das „Deutschlandgefühl“ sei schlecht, die Menschen besorgt. „Es wuchert etwas in unserem Land“, sagt Söder, drängt auf Neuwahlen und äußert Verständnis für die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger.
Dabei wissen sowohl Söder als auch Dobrindt, dass nicht alle Proteste friedlich sind. Dass gerade immer wieder rote Linien überschritten werden. Zwar distanzieren sich beide klar von „Entgleisungen“ mancher Demonstranten in den vergangenen Tagen, allerdings nur auf Nachfrage. Und immer mit dem Zusatz, dass es in der Sache guten Grund für Unmut gebe.
Die CSU steht an diesem Wochenende vor einem Dilemma. Mit Blick auf die sich zuspitzende Situation im Land muss die CSU entscheiden, wie weit ihr Verständnis reicht und wo sie die Grenze zieht.
Organisierte Gewalt und Ampel-Galgen
Denn Fakt ist auch: An einigen Stellen ist der Protest längst eskaliert. Etwa vergangene Woche, als der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck aus dem Urlaub zurückkam und ein Mob am Hafen von Schlüttsiel auf ihn wartete. Die Gruppe versuchte die Fähre, auf der sich Habeck befand, gewaltsam zu stürmen. Ein Gesprächsangebot des Grünen-Ministers wollten die entsprechenden Akteure nicht annehmen. Offensichtlich ging es vielen vor Ort eher um Gewalt und Einschüchterung.
Auch im Süden der Republik, in Bayern, bricht sich der Hass auf die Regierung teilweise teils ungebremst Bahn. Auf einigen Feldern in der Umgebung von Seeon stehen Galgen, an denen eine Ampel hängt.