Der vierfache Vierschanzentournee-Sieger Jens Weißflog hat mit Spannung das Wettkampfende verfolgt. So denkt er über Wellinger und Kobayashi.
Der frühere deutsche Skispringer und viermalige Tourneesieger Jens Weißflog hat Andreas Wellinger für seine Leistung bei der Vierschanzentournee gelobt. Im Gespräch mit t-online sagt er: „Man muss auch immer erst einmal Zweiter werden. Dass einer vor ihm steht, ist schade, weil sich alle schon auf einen Sieg gefreut haben. Aber es ist nun mal so, dass der Sport kein Wunschkonzert ist.“
Wellinger hätte der erste deutsche Tourneesieger seit Sven Hannawald in der Saison 2001/2002 werden können. Nachdem er als Gesamtführender nach Innsbruck gereist war, musste er sich bei den Springen in Österreich dem Japaner und jetzigen Gesamtsieger Ryōyū Kobayashi geschlagen geben.
„Erster Durchgang als Knackpunkt“
In Bischofshofen kam Wellinger am Samstag nicht über 132 und 137 Meter hinaus, während Kobayashi 137 Meter und 139 Meter weit sprang.
„Ich sehe den ersten Durchgang schon als Knackpunkt. Vor allen Dingen, weil Wellinger dort in einer Gruppe war, wo es nach meinem Eindruck noch relativ viel geschneit hat. Hinten raus schien der Schneefall geringer zu werden und es waren größere Weiten drin“, sagt Weißflog weiter und ergänzt: „Schlussendlich hat er es selbst in der Hand gehabt und es hat halt nicht gereicht. Man muss schon auch die eigenen Voraussetzungen für einen Sieg schaffen.“
Dass Wellinger in Innsbruck an der berühmtberüchtigten Bergiselschanze Probleme hatte, ist für Weißflog nicht der entscheidende Faktor dieser Tournee. „Am Ende ist es immer die Summe der Platzierungen und der Noten aus vier Springen heraus. Man könnte sagen, dass Kobayashi ja auch nicht überragend war, aber er war eben viermal Zweiter.“
Kobayashi? „Das braucht es einfach“
Was macht den dreimaligen triumphierenden Japaner (2018/2019, 2021/22 und 2023/24) laut Weißflog aus? „Er ist schon cool“, sagt Weißflog lachend am Telefon. Dann kommt er ins Schwärmen: „Er gehört einfach dazu. Auch mit dem Fauxpas, der ihm heute passiert ist. Wer hat schon mal die Ski vergessen? Ich habe schon alles Mögliche vergessen, aber die Ski? Niemals. So etwas in so einer Situation wegzustecken, zeigt schon was von Größe und Coolness und das braucht es einfach.“
Doch Weißflog erklärt auch, warum Andreas Wellinger in einer etwas anderen Situation ist als Kobayashi: „Österreich und Deutschland haben bei der Tournee nach wie vor den höchsten Druck. Die Medien sind viel mehr vertreten aus den beiden Ländern. Wahrscheinlich hatte Kobayashi nur halb so viele Interviews wie Andreas Wellinger. Es sind für Kobayashi – aus meiner Sicht – weniger Einflüsse, die er auszuhalten hat.“
Weißflog ist dennoch von Wellinger und seiner Saison begeistert: „In diesem Jahr hat er nochmal einen Schritt im Vergleich zur vergangenen Saison gemacht. Da hat er mit einem Weltcup-Sieg und der Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft bereits nachgewiesen, dass er nach der Kreuzbandverletzung wieder in der Weltspitze angekommen ist. Er muss nach dieser Platzierung niemanden mehr beweisen, dass er wieder ganz vorne mit springen kann.“
„Der Sport stand bei mir damals mehr im Fokus“
Wellinger erlitt 2019 einen Kreuzbandriss sowie Meniskus- und Knorpelschaden und dann noch einen Schlüsselbeinbruch. Nun ist er wieder auf seinem früheren Top-Niveau aus dem Jahr 2018 angekommen, in dem er olympisches Gold von der Normalschanze holte und ebenso Tournee-Zweiter wurde.
Weißflog wurde 1983/84, 1984/85, 1990/91 und 1995/96 Vierschanzentourneesieger. Er sieht jedoch große Unterschiede von damals zu heute: „Bei uns waren die medialen Einflüsse weit weniger als heute. Zumindest in den 1980er-Jahren. 1996 bin ich dann auch schon keinen Schritt mehr ohne Kamera gegangen. Der Sport stand bei mir damals viel mehr im Fokus. Als Sportler heute muss man viel mehr nebenher machen, wie Pressekonferenzen, Autogramme schreiben und Soziale Netzwerke bedienen. Das war bei uns weitaus weniger oder noch nicht vorhanden.“
Für die Zukunft in Bezug auf die Tournee wünscht sich Weißflog den „Blick in die Vergangenheit“ und dass frühere Tourneesieger, die „ein Stück weit die Geschichte mitgeschrieben haben“ auch für das geschätzt werden, was sie für den Sport geleistet haben.