Der frühere Verfassungsschutzchef Maaßen will mit dem rechtskonservativen Verein Werteunion eine eigene Partei gründen. Das birgt für die Konkurrenz Gefahren, aber auch Chancen.
Als die CDU am Donnerstag erfährt, dass Hans-Georg Maaßen die Partei verlassen und die Werteunion zu einer eigenen Partei ausbauen will, herrscht erst einmal Ruhe. Kaum jemand will sich zu der Sache äußern. Die Parteispitze lässt das Thema vorbeiziehen.
Ganz bewusst wird nichts kommentiert, auf Nachfrage winken die Parteigranden ab. Das Ganze soll nicht so hochgejazzt werden. Außerdem gibt es gerade ohnehin andere, wichtigere Dinge. Die Beerdigung von Wolfgang Schäuble. Und in einer Woche ist die Jahresauftakt-Klausur der Partei in Heidelberg.
Die Botschaft zwischen den Zeilen: Wenn die Werteunion gehen will, dann bitte schön.
War’s das wirklich?
Auf den ersten Blick kommt die Abkopplung der Werteunion der CDU tatsächlich ganz gelegen. Seit Jahren fremdelt die Partei mit dem rechtskonservativen Verein, der vor allem im Osten gern und laut Kritik am eigenen Establishment übt. „Mit der immer radikaleren Positionierung der sogenannten Werteunion und der Nähe zur AfD ihrer Protagonisten gab und gibt es keine inhaltlichen oder gar organisatorischen Überschneidungen“, sagt die Vizevorsitzende der CDU, Karin Prien, dem „Stern“ über den Verein als eine der wenigen, die sich nach der Nachricht von der Parteigründung äußern.
Den Werteunion-Vorsitzenden, Hans-Georg Maaßen, hatte die Partei-Spitze im vergangenen Jahr sogar versucht, aus der Partei zu werfen. Vergeblich. Jetzt stehen die Chancen gut, dass sie Maaßen und dessen Anhänger doch noch loswerden.
Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz.
Maaßen pfeift auf die Brandmauer
Einige machen sich in der CDU durchaus Gedanken darüber, welche Folgen das Ganze noch haben könnte. Im Herbst sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die Christdemokraten kämpfen dort ohnehin um jede Wählerstimme. In den Umfragen liegen sie teilweise weit hinter der AfD.
Was, wenn jetzt unzufriedene CDU-Wählerinnen und -Wähler, die zwar die AfD wegen ihrer Radikalität ablehnen, zur Werteunion wandern? Der Verein könnte für viele eine deutlich „mildere“ Alternative zur CDU darstellen, gerade im Vergleich mit der Höcke-AfD in Thüringen.
Maaßen bricht außerdem mit einem Grundsatz, den die CDU weiter hält: Es soll keine Koalitionen mit der AfD geben. Maaßens Haltung ist klar: „Ich bin einer, der keine Brandmauer kennt“, sagte er dem Magazin „Cicero“. Und auf die Frage, ob er auch mit einer Höcke-AfD – dem extremsten aller AfD-Landesverbände – kooperieren würde, sagte er Welt TV: „Wir reden mit allen, von links bis rechts.“
Mitglieder der Werteunion hatten im Vorfeld bereits mehrfach kritisiert, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließe. Bei einer Maaßen-Partei wäre das Tor offen.
Allerdings stellt sich die Frage: Welches Potenzial hätte die Partei eigentlich?
Der rechte Kuchen schrumpft
Belastbare Daten zu den Erfolgschancen einer möglichen Maaßen-Partei gibt es noch nicht. Groß aber ist die Skepsis von Experten: „Damit sich eine neue Partei erfolgreich etablieren kann, muss sie eine Repräsentationslücke im Parteiensystem finden und besetzen“, sagt Politikberater Johannes Hillje t-online. Für eine Werteunion-Partei aber sei keine solche Lücke zwischen CDU und AfD erkennbar.
Zu hoch sei die Konkurrenz um rechts bis weit rechts eingestellte Wähler – mit der CDU, der AfD, der Wagenknecht-Partei, den Freien Wählern sowie rechtsextremen Kleinstparteien. Bildlich gesprochen: Nur weil es eine weitere Partei im rechten Spektrum gibt, wachse nicht der Kuchen des entsprechenden Wählerpotenzials, „sondern es schrumpfen die Stücke der einzelnen Parteien“, so Hillje.
Wem aber könnte Maaßen das größte Stück abknöpfen? „Die Verluste der CDU dürften überschaubar bleiben“, schätzt Hillje. Maaßen nämlich könne nur eine ultrakonservative Minderheit in der CDU begeistern, wie schon die Bundestagswahl 2021 gezeigt habe. Da verlor Maaßen den Wahlkreis 196 in Thüringen – ein Drittel der CDU-Stimmen im Kreis wanderten ab.