Mit der Steuerprognose wird der Geldpoker der Ampelkoalition nicht unbedingt leichter. Aber immerhin: Viel verzwickter werden die Verhandlungen auch nicht.
Auf den ersten Blick wirkt es wie ein kleines Geldwunder: Der Bund darf im nächsten Jahr mit leicht höheren Steuereinnahmen rechnen als im Frühjahr angenommen – trotz schwächelnder Wirtschaft, trotz absehbar steigender Arbeitslosigkeit im Land. Und obwohl die Steuereinkünfte von Ländern und Kommunen so stark sinken, dass alle drei Staatsebenen zusammen weniger einnehmen als erwartet. Mehr dazu lesen Sie hier.
Das Plus von 700 Millionen Euro für den Bund ist zwar angesichts des geplanten Volumens des Bundeshaushalts (knapp 490 Milliarden Euro) eine fast verschwindend geringe Summe. Aber immerhin, wer hätte das gedacht!
Ist die Ampel in den Haushaltsverhandlungen also noch mal mit einem blauen Auge davongekommen? Fällt das große Endspiel ums Geld jetzt aus? Hält die Koalition jetzt doch noch bis ins nächste Jahr? Wie leicht fiele es, alle diese Fragen im Lichte der 700 Millionen Euro zu bejahen.
Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Ganz so einfach ist es nicht. Auf die Haushälter im Bundestag wartet weiter ein gutes Stück Arbeit, wenn auch eines, das zu schaffen ist.
Denn um überhaupt erst einmal auf das Plus zu kommen, müssten alle Gesetze und Vorhaben der Ampel zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums tatsächlich kommen, die sogenannte „Wachstumsinitiative“ eins zu eins umgesetzt werden – was derzeit noch nicht ausgemachte Sache ist. Hinzu kommen einige Unsicherheiten und ungeklärte Fragen:
Wie viele der nicht genutzten Fördermilliarden für den verschobenen Bau der Chipfabriken fließen an den Haushalt zurück? Welche Extra-Ausgaben beim Bürgergeld ergeben sich noch? Und wie viel Geld muss der Bund für die explodierenden Kosten bei der EEG-Umlage bereithalten?
Im günstigsten Fall ergibt sich trotz des prognostizierten Steuerplus wohl noch immer ein Sparbetrag von mindestens 3,5 Milliarden Euro. Der Finanzminister spricht von einem „einstelligen Milliardenbetrag“ als „Handlungsbedarf“, der „näher an der zehn ist als an der eins“.
Das ist nicht nichts. Eine solche Summe einzusparen, wird für die Abgeordneten nicht leicht, zumal sie es aus der Vergangenheit gewohnt sind, nach der Steuerschätzung eher zusätzliche Mittel verteilen zu können, als bei den Ausgaben zu sparen. Aber: Es ist eben auch nicht unmöglich, solch eine Stange Geld zusammenzukratzen.
Die Ampel kann noch immer am Haushalt zerbrechen. Je nachdem, wie stark sich SPD, Grüne und FDP bei den noch anstehenden Verhandlungen – insbesondere um den Sozialetat – verkeilen, ist es nicht ausgeschlossen, dass das Regierungsbündnis platzt.
Allerdings lässt sich mit dem heutigen Tag sagen: Das Ergebnis der Steuerschätzung macht dieses Szenario nicht mehr, sondern weniger wahrscheinlich. Wenn die Koalitionäre sich in den nächsten drei Wochen zusammenraufen, wenn es ihnen gelingt, den Haushalt gut über die Bühne zu bringen und zugleich die notwendigen Impulse für die Wirtschaft zu setzen, kann das Bündnis noch bis zur nächsten regulären Wahl halten. Aus dem Geldwunder würde dann ein Ampelwunder.