Eigentlich stand Annalena Baerbock bei Caren Miosga Rede und Antwort zu ihrer Nahostpolitik. Der wohl denkwürdigste Moment des Abends war jedoch eine Ein-Wort-Antwort.
Es war ein „Ja“ in der Schnellfragerunde, das zu Beginn der Sendung in Erinnerung blieb. Während Außenministerin Annalena Baerbock die Nahost-Politik Deutschlands verteidigte, gestand sie während der Sendung auch implizit ein, dass ihr Argument, warum sie die Kanzlerkandidatur Robert Habeck überlassen hat, nicht ganz richtig gewesen sei.
- Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen (Bündnis 90/Die Grünen)
- Guido Steinberg, Nahostexperte
- Daniel Gerlach, Publizist
„Dass sie in einem CNN-Interview gesagt haben, sie wollen nicht noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten, weil sie als Außenministerin angesichts der Krisen in der Welt zu eingebunden seien – ist das eine schlechte oder eine gute Ausrede?“ wollte Miosga direkt von Baerbock wissen.
Zunächst argumentierte Baerbock, dass sie als Außenministerin ständig unterwegs sei und daher für den Wahlkampf keine Zeit hätte. Miosga ließ das Argument nicht gelten. „Da haben wir uns ein bisschen gewundert. Sie hätten auch einfach ehrlicherweise sagen können: ‚Ich war schon mal dran. Da lief es nicht so gut. Jetzt macht das der andere'“, legte Miosga nach. Daraufhin antwortete Baerbock mit einem knappen, aber aufschlussreichen „Ja“.
Während Baerbock die deutsche Nahostpolitik vehement verteidigte und auf kleinere Erfolge hinwies, standen der Nahostexperte Guido Steinberg und der Publizist Daniel Gerlach dem Status quo kritisch gegenüber. „Die deutsche Außenpolitik hat in den letzten zehn Jahren enorm an Einfluss verloren. Die Politiker in der Region sehen die Region vor allem als sicherheitspolitisches Problem. Und da hat Deutschland nichts beizutragen – ganz einfach nichts“, so Steinberg.
Steinberg attestierte zudem, dass man bei der Debatte über den Waffenstillstand zwischen der Hisbollah und Israel gesehen habe, dass, auch wenn die Amerikaner hinter einem solchen Projekt stünden, sich die Israelis im Zweifelsfall nicht darum kümmerten. Wenn Benjamin Netanjahu nicht einmal auf die mit Nachdruck formulierten Wünsche der Regierung Biden reagiere, sei es unwahrscheinlich, dass er auf Deutschland oder Europa reagiere. „Ich habe da fast ein bisschen Mitleid mit europäischen Politikern, weil ja noch einmal hinzukommt, dass sie von den Israelis nicht ernst genommen werden“, erklärte er.
Baerbock entgegnete: „In der Außenpolitik hat man ja keinen Zauberstab und zaubert mal den Frieden herbei.“ Man dürfe seinen Einfluss in der Region nicht überschätzen – auch die USA könnten alleine nichts erreichen. „Natürlich kann man sagen, bis heute ist der Frieden nicht erreicht. Aber in diesen Momenten war dann auch realpolitische Außenpolitik, Schlimmeres zu verhindern.“ Wichtig sei es, mit arabischen Schlüsselstaaten zusammenzuarbeiten – dies müsse jedoch oft geheim bleiben, da sich die arabischen Länder „nicht öffentlich an einen Tisch setzen wollen“.
Der Publizist Daniel Gerlach konstatierte hingegen, dass man den Eindruck habe, Kanzler Olaf Scholz interessiere sich kaum für den Nahostkonflikt: „Der Bundeskanzler äußert sich ja auch zu anderen Themen nicht, wenn er nicht muss. Aber dieses Thema scheint ihn absolut nicht zu interessieren. Die 40.000 Toten in Gaza, die jetzige Situation im Libanon – abgesehen von den israelischen Sicherheitsinteressen – dieser Konflikt scheint für ihn nicht zu existieren.“
Baerbock widersprach und erklärte, sie sei elfmal in der Region gewesen, um sich die Lage „stellvertretend für die Bundesregierung“ anzusehen. „Als er gesagt hat, in Gaza gebe es keinen Hunger, und Sie ihm dann widersprochen haben: Da hat er Sie gehörig angeschrien, oder?“ fragte Miosga. Auch hier gab es wieder ein „Ja“ von Baerbock – mit einer versuchten Relativierung: „Das Gespräch ging anderthalb Stunden, da gab es auch andere Elemente.“
Gerlach: „Was ist mit dem Sicherheitsinteresse der anderen Menschen?“
Gerlach kritisierte, dass die Interessen der Menschen im Libanon, in Gaza, in der Westbank und in anderen Teilen der Region „argumentativ in die zweite Reihe gestellt“ würden: „Ich denke, was im Interesse Israels ist, darüber gibt es in Israel große Debatten, und im Zweifelsfall können das die Israelis selbst für sich entscheiden. Das ist für mich aber nicht der Punkt. Ich glaube, es ist in solchen Situationen Zeit zu sagen: Was ist mit dem Sicherheitsinteresse der anderen Menschen?“, so der Publizist.