In der Asylpolitik geht der SPD-Nachwuchs auf Konfrontation mit der Parteispitze. Olaf Scholz sei noch nicht als Kanzlerkandidat gesetzt, warnt der Juso-Chef.
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer hat den Umgang von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem offenen Brief von SPD-Mitgliedern gegen die Asylpolitik der Ampelkoalition kritisiert. Dass Scholz über seinen Sprecher erklären ließ, er sehe sich in seinem Kurs durch den Brief bestätigt, sei „ein schlechter Witz“, sagte der Chef der SPD-Jugendorganisation den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „So hat das niemand gemeint und das weiß er ganz genau.“
In dem offenen Brief fordern Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete der SPD ein „Eintreten für die Würde“ in der Asylpolitik. Kritisiert wird darin ein „Kurs zur Ausgrenzung und Stigmatisierung“ von Geflüchteten, der auch von führenden Sozialdemokraten mit befeuert werde. Schritte wie Zurückweisungen an den Grenzen und die Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete werden darin als „Scheinlösungen“ kritisiert, die „rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative gegen Geflüchtete“ legitimierten. Bis Freitag hatten mehr als 10.500 Menschen den Brief unterstützt.
Statt „die Fahne von Menschlichkeit und Solidarität in Krisen umso höher zu halten“, ließen „sich demokratische Parteien treiben“, sagte Türmer, der zu den Erstunterzeichnern des Schreibens gehört. Das nach dem Messeranschlag von Solingen auf den Weg gebrachte Sicherheitspaket der Regierung sei die Fortsetzung einer Entwicklung, bei der „der Geist der Abschottung wieder salon- und mehrheitsfähig geworden“ sei. Er wolle aber eine SPD, „die Menschenrechte wahrt, das Asylrecht verteidigt und sozialdemokratische Werte lebt“.
Türmer kritisierte den Kanzler aber auch in anderen Punkten. Die Jusos seien „sehr enttäuscht von der SPD und auch der Rolle von Olaf Scholz“, so Türmer: „Wir Jusos sind 2021 wie verrückt gerannt in diesem Wahlkampf, aber wir haben uns was anderes erhofft. Dass diese Bundesregierung wirksam gegen die Wohnungsnot vorgeht, die junge Menschen besonders betrifft, oder dafür sorgt, dass endlich die Reallöhne steigen. Auch davon sind junge Menschen ganz besonders betroffen.“
Zu denken geben dürfte Olaf Scholz auch die Haltung der Jusos zur Kanzlerkandidatur der SPD. In der Partei werden immer wieder Stimmen laut, die sich für Verteidigungsminister Boris Pistorius als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl aussprechen. Auf die Frage, ob diese Entscheidung in der SPD noch offen sei, antwortete Türmer: „Wir entscheiden das auf unserem Parteitag im nächsten Juni und bis dahin ist es offen.“