Rechtspopulistische Strömungen in Österreich und Deutschland ähneln sich zunehmend. Die AfD übernimmt dabei bewährte Strategien der österreichischen FPÖ, erklärt Politikwissenschaftler Monty Ott in einem Gastbeitrag.
Es war das Jahr 2008. Da saßen sich Zukunft und Vergangenheit des österreichischen Rechtspopulismus gegenüber. Heinz-Christian Strache von der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) traf auf den einstigen FPÖ-Chef und inzwischen Spitzenkandidaten des Bündnisses Zukunft Österreich, Jörg Haider. Lange Zeit war Haider Straches Vorbild gewesen, ehe er sich von ihm loslöste. Während des Rededuells sollte Haider Strache den Vorwurf machen, nur bei ihm abzukupfern. Das war nicht falsch.
Und wie sich heute zeigt, sollten noch etliche extreme und populistische Rechte es ihm gleichtun. Würde Haider noch leben, hätte er diesen Vorwurf wohl auch an den Landeschef der AfD-Thüringen, Björn Höcke, richten können. Dieser kopierte im Wahlkampf 2019 den 2008 verstorbenen Haider ganz eindeutig: Auf einem Plakat saß er in der gleichen Pose wie einst Haider. Dazu der Spruch „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist.“
Die Parallelen zwischen dem „dritten Lager“ – wie die extreme Rechte als dritte Kraft neben sozialdemokratisch-progressiv und christdemokratisch-bürgerlich bezeichnet wird – in Österreich und der extremen Rechten in Deutschland sind offensichtlich. Dort, wo sie erfolgreich sein wollen, kupfern sie bei den Erfolgsrezepten ab, die in der Petrischale des Rechtspopulismus entwickelt worden sind.
Die enorme Verunsicherung in jüdischen Communitys hat sich nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg verstärkt. Welche Konsequenzen würde man ziehen, sollte die AfD bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr siegen? Hilft die Suche nach Parallelen zum Nachbarland vielleicht dabei, mit den berechtigten Sorgen umzugehen?
Immerhin landete in Brandenburg die AfD auf dem zweiten Platz. In Österreich, wo am Sonntag gewählt wird, liegt die rechte FPÖ in Umfragen gar auf dem ersten Platz.
Monty Ott ist Autor, Politik- und Religionswissenschaftler. Er hat in Hannover studiert. Ott beschäftigt sich in seinen Schriften häufig mit Themen wie jüdischer Identität, Geschichte und Erinnerungskultur. Anfang 2023 ist sein gemeinsam mit Ruben Gerczikow verfasster Reportageband „Wir lassen uns nicht unterkriegen – Junge jüdische Politik in Deutschland“ erschienen. Monty Ott lebt und arbeitet in Berlin.
Um die Gefahr der FPÖ zu begreifen, sollte man sich die lange Liste an ihren Eklats anschauen. Die meisten Skandale drehen sich um Rassismus, Antisemitismus, verschwörungsideologisches Geraune, neonazistische Chiffren, Relativierung des Nationalsozialismus. Man könnte etwas zugespitzt sagen: Das war Haiders Geschäft – und damit hat er erfolgreich Politik gemacht.
Und sein Rezept war so erfolgreich, dass es auch in der Gegenwart wieder zur Bedrohung für pluralistische, demokratische Gesellschaften werden kann. Mit der FPÖ hat Haider experimentiert. Und er prägt die politische Landschaft Österreichs bis heute – durch Menschen aus seinem Umfeld wie Strache oder Kickl, die von ihm gelernt haben.
Wie offensichtlich die Kontinuitäten im Bereich Antisemitismus sind, merkt man, wenn man sich Haiders Rede auf dem Politischen Aschermittwoch 2001 in Ried am Innkreis genauer anschaut. Dabei ist auch einer der schärfsten Kritiker der FPÖ, der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und heutige Interimspräsident des European Jewish Congress sowie Vizepräsident des World Jewish Congress, Ariel Muzicant, zum Ziel von Hohn und Spott geworden.
Doch Haiders Redenschreiber hatte ihm eine ganz besondere Pointe vorbereitet, die der rechtspopulistische Shootingstar vor laufender Kamera rief: „Ich verstehe überhaupt nicht, wie wenn einer Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann“. Damit bezog er sich auf das Waschmittel. Muzicant klagte, und Haider nahm die Äußerung zurück.
Acht Jahre später sollte Muzicant dann auch noch mal durch einen Disput mit dem Autor jener Zeilen in die Schlagzeilen geraten. Denn im Jahr 2009 verglich Muzicant Herbert Kickl mit dem NSDAP-Propagandaminister Joseph Goebbels.
Und jener Herbert Kickl steht heute als Bundesparteiobmann kurz vor dem größten Erfolg, den die FPÖ in ihrer fast 70-jährigen Geschichte erringen könnte: Nach den kommenden Nationalratswahl am 29. September könnte sie den Bundeskanzler stellen. Vorausgesetzt, sie findet einen geeigneten Koalitionspartner und Bundespräsident Alexander van der Bellen zeigt sich entgegen bisheriger Vermutungen doch bereit, einen Bundeskanzler Kickl zu vereidigen.