Ein Alterspräsident darf nicht machen, was er will – das haben Thüringer Verfassungsrichter dem AfD-Amtsinhaber Treutler ins Stammbuch geschrieben. Ist der Weg für eine neue Parlamentsspitze nun frei?
Der erste Anlauf wurde zum Debakel, nun soll in Thüringen ein neuer Landtagspräsident gewählt werden. Grundlage ist ein Machtwort des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates: In einer einstweiligen Anordnung setzte es dem Agieren des massiv in der Kritik stehenden AfD-Alterspräsidenten Jürgen Treutler klare Grenzen. Der Landtag darf nun vor der Wahl der Landtagsspitze seine Geschäftsordnung ändern und damit auch Personalvorschläge aller Fraktionen von Anfang an ermöglichen. Die CDU-Fraktion war vor das Verfassungsgericht gezogen – und in wesentlichen Punkten erfolgreich.
Das ist nicht ausgeschlossen, denn auch wenn der Thüringer Verfassungsgerichtshof nun Regeln für den Ablauf der Sitzung festgelegt hat, steht ja der Wahlakt noch aus. Zumindest hat die AfD signalisiert, dass sie sich bisher immer an die Entscheidungen des Verfassungsgerichts gehalten hat. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Torben Braga, sagte zum Beschluss des Gerichts: „Die Klarheit über das weitere Vorgehen war notwendig. Es ist gut, dass der Landtag die Konstituierung nun abschließen kann.“
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hatte im Vorfeld jedoch Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts gesät und den Verfassungsrichtern bereits vorgeworfen, voreingenommen zu sein. In Deutschland gibt es eine unabhängige Justiz. Unklar ist, wie sich Treutler verhält. Notfalls können ihn die Abgeordneten auch abberufen, dann wäre der zweitälteste Parlamentarier an der Reihe – ebenfalls ein AfD-Mann. Kommt es zur Landtagspräsidentenwahl, wird mit einem Duell zwischen einer AfD-Kandidatin und einem CDU-Kandidaten gerechnet.
In ihrem Beschluss gaben die Verfassungsrichter eine Art Regieanweisung zum Ablauf der Sitzung: Treutler muss demnach die vorläufigen Schriftführer ernennen, die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen und die von der bisherigen Landtagspräsidentin vorgelegte Tagesordnung von Mitte September zur Abstimmung stellen. Anschließend soll die Sitzung in der Reihenfolge der beschlossenen Tagesordnung fortgesetzt werden. Die AfD und Treutler hatten zuvor eine andere Rechtsauffassung vertreten. Auch zum Vorschlagsrecht bei der Landtagspräsidentenwahl äußerten sich die Verfassungsrichter: „Die beabsichtigte Regelung, die vorsieht, dass sämtliche Fraktionen – und nicht allein die stärkste Fraktion – bereits für den 1. Wahlgang Wahlvorschläge für die Wahl des Landtagspräsidenten unterbreiten dürfen, verletzt Verfassungsrecht nicht.“
Die AfD will ihre Abgeordnete Wiebke Muhsal zur neuen Landtagspräsidentin machen, die 38-Jährige gilt aber als chancenlos. Muhsal wurde vor Jahren wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Gerichte sahen es als erwiesen an, dass sie einen Arbeitsvertrag mit einer Mitarbeiterin im Jahr 2014 um zwei Monate vordatierte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Ihre Kandidatur wurde schon im Vorfeld von den anderen Fraktionen als Provokation empfunden.
Dagegen gab es für den CDU-Kandidaten Thadäus König bereits viel Vertrauensvorschuss. BSW, Linke und SPD bescheinigten dem promovierten Politikwissenschaftler, für sie wählbar zu sein. König kommt aus dem katholisch geprägten Eichsfeld und hatte dort bei der Landtagswahl 2019 im Kampf um das Direktmandat AfD-Rechtsaußen Höcke bezwungen. Bei der Landtagswahl vor vier Wochen erreichte der 42-Jährige das beste Erststimmenergebnis landesweit. König gilt als Kompromisskandidat.
Heikel könnte auch die Wahl der vier Vize-Landtagspräsidenten werden. Die CDU-Fraktion hatte bereits signalisiert, dass sie auch der AfD einen Platz im Landtagspräsidium einräumen will, sofern ihre Kandidatin oder ihr Kandidat wählbar ist. Schickt die AfD erneut Muhsal ins Rennen um einen Vize-Posten, könnte sie bei der Wahl scheitern.