Experte: Deutschland hat ein Defizit beim Hochwasserschutz
Aktualisiert am 04.01.2024 – 07:21 UhrLesedauer: 18 Min.
Neuer Regen bringt neue Sorgen für die Hochwassergebiete. Viele Deiche sind durchnässt und damit weniger stabil. Die Informationen im Überblick.
Das Wichtigste im Überblick
Experte: Deutschland hat ein Defizit beim Hochwasserschutz
7 Uhr: Die aktuelle Hochwasserlage zeigt laut Experten Kommunikationsdefizite im Hochwasserschutz in Deutschland auf. „Dass das großflächige Ausmaß solcher Hochwasser eintreten kann, ist bekannt – seit mindestens 15 Jahren“, sagte der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen an der Leibniz-Universität Hannover, Torsten Schlurmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Informationen sind alle da, wir haben aber ein Kommunikationsproblem in der Hochwasservorsorge.“ Behörden, Wissenschaft und auch die Politik hätten versäumt, besser zu Hochwasserrisiken zu kommunizieren.
Andere Länder, wie etwa die Niederlande, seien besser aufgestellt, sagte Schlurmann. Dort sei die Bevölkerung über Hochwasserrisiken aufgeklärter und in der Hochwasservorsorge sowie im Wasserrückhalt in der Fläche weiterentwickelt, da auch der Handlungsdruck infolge der tief liegenden Küstengebiete größer sei.
Seit 2007 gebe es durch die Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie der EU eine Vorgabe an die Mitgliedsländer, Hochwassergefahren und dadurch erkennbare Überflutungsrisiken etwa an Flüssen zu identifizieren und zu bewerten, sagte der Professor für Wasserbau und Küsteningenieurwesen. Seitdem müssten EU-Länder solche Gefährdungen kalkulieren und in Gefahren- und Risikokarten darstellen und öffentlich kommunizieren. Solche Karten seien öffentlich einsehbar.
Scholz besucht erneut ein Hochwassergebiet
6.30 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht heute vom Hochwasser betroffene Regionen in Sachsen-Anhalt. Am Silvestertag hatte er bereits Hochwassergebiete in Niedersachsen besucht. Begleitet wird der Kanzler diesmal von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).
Gemeinsam wollen sich die Politiker in Oberröblingen, einem Stadtteil von Sangerhausen, über die Hochwasserlage informieren. Geplant ist ein Termin am Deich an der Helmebrücke, der zu brechen droht – gemeinsam mit dem Landrat des Kreises Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU).
Danach soll es ein Gespräch mit dem Einsatzleiter, den Einsatzkräften und den Bürgermeistern betroffener Kommunen geben. Im Anschluss daran wollen Scholz, Lemke und Haseloff zu einer Sandsackbefüllungsanlage in der Ortschaft Berga fahren und mit freiwilligen Helferinnen und Helfern sprechen. Dort wollen sie sich auch zur Lage äußern.
Fast alle Bauern in Niedersachsen von Hochwasser betroffen
4.01 Uhr: Fast jeder Landwirt ist nach Angaben des niedersächsischen Bauernverbandes derzeit von Überflutungen seiner Felder beziehungsweise von Nässeschäden betroffen. Hintergrund seien die großen Niederschlagsmengen der vergangenen Wochen, teilte das Landvolk Niedersachsen in Hannover auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Wie viele landwirtschaftliche Flächen direkt von Hochwasser anliegender Flüsse oder anderer Gewässer beeinträchtigt seien, sei aktuell nicht genau abschätzbar.
„Es sind mehrere Hunderttausend Hektar Acker und Grünland überschwemmt“, sagte Landvolk-Präsident Holger Hennies der dpa. Auch Hunderte Hofstellen seien von Überschwemmungen betroffen, „glücklicherweise aber nur sehr wenige Betriebe so stark, dass auch Ställe betroffen sind und Vieh evakuiert werden musste“, sagte Hennies.
Grünen-Chefin zu Hochwasser: Lassen Menschen mit Kosten nicht allein
22 Uhr: Grünen-Chefin Ricarda Lang hat nach einem Besuch in der vom Hochwasser bedrohten Gemeinde Lilienthal bei Bremen finanzielle Hilfen für Betroffene in Aussicht gestellt. „Das Hochwasser geht mit hohen Schäden für betroffene Bürgerinnen und Bürger einher“, sagte Lang der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. „Klar ist, dass wir die Menschen mit den Kosten nicht alleine lassen werden. Bund und Land müssen finanziell unterstützen.“ Wie genau solche Hilfen aussehen könnten, ließ die Parteichefin offen.
Oberste Priorität bleibe es, Menschen vor Ort zu helfen, Häuser leer zu pumpen und das Wasser zurückzudrängen. „Gleichzeitig müssen wir uns als Gesellschaft darauf einstellen, dass derartige Extremwetterereignisse in den kommenden Jahren häufiger auftreten und heftiger ausfallen werden. Im nächsten Schritt geht es deshalb um Vorsorge und Prävention“, sagte Lang, die zusammen mit Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) Lilienthal besucht hatte.
Hilfe aus NRW: Sperrsysteme und 500.000 Sandsäcke für Niedersachsen
18.39 Uhr: Nordrhein-Westfalen hat das vom Hochwasser betroffene Nachbarbundesland Niedersachsen mit Materiallieferungen unterstützt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums wurden Ende 2023 rund 500.000 Sandsäcke aus einem Zentrallager in Bonn durch die Feuerwehr nach Garbsen bei Hannover gebracht. Aus Bonn, Duisburg und dem Rhein-Sieg-Kreis transportierte die Feuerwehr Sperrsysteme für das Hochwasser in den Landkreis Celle und in den Raum Oldenburg.