Während ganze Branchen händeringend nach Arbeitskräften suchen, bekommen Minderqualifizierte kaum noch Jobs. Es könnte aber aufwärts gehen.
Konjunkturschwäche und Fachkräftemängel haben den deutschen Arbeitsmarkt gespalten. Einerseits werde in einigen Dienstleistungsbranchen, etwa bei Wirtschaftsprüfern oder in der Pflege, händeringend Personal gesucht, sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Dezember-Statistik in Nürnberg. Andererseits gebe es in konjunkturabhängigen Branchen wie auf dem Bau, im Einzelhandel oder bei der Zeitarbeit kaum noch Aufwuchs bei der Beschäftigung. Regional sei Ostdeutschland von stagnierender oder sinkender Beschäftigung stärker betroffen als der Westen.
Einerseits werde der Fachkräftemangel auch im laufenden Jahr ein großes Thema bleiben, kündigte Nahles an. Schon jetzt gehe der Beschäftigungszuwachs zu 100 Prozent auf das Konto von Menschen mit ausländischem Pass. Auf der anderen Seite: 61 Prozent der Arbeitslosen seien auf der Suche nach Helferjobs, die es immer weniger gebe. „Wir sprechen von verfestigter Arbeitslosigkeit in dem Bereich.“
Die Gruppe weniger qualifizierter Arbeitsloser werde es hingegen immer schwerer haben, eine Arbeitsstelle zu finden. Deshalb sei Qualifizierung bitter notwendig, ganz egal, ob es um eine jahrelange Weiterbildung gehe, ein Schweißer-Zertifikat oder einen Führerschein.
Finanzierung für Weiterbildung fraglich
Die Analyse von Nahles dürfte auch als eine Art Appell an die Bundesregierung zu verstehen sein. Qualifikationsmaßnahmen etwa für Langzeitarbeitslose werden – nicht wie Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld – aus den Beiträgen der Arbeitslosenversicherung bezahlt, sondern aus Steuermitteln. Die Bundesagentur bangt nach früheren Angaben von Nahles um Hunderte von Millionen Euro in diesem Topf, die den Sparrunden der Bundesregierung zum Opfer fallen könnten. Vor allem aber brauche die Bundesagentur Planungssicherheit – und deswegen schnelle Klarheit.
Hinzu kommt, dass eigentlich als Zuschüsse gewährte Milliardenhilfen des Bundes aus der Corona-Zeit zurückgezahlt werden sollen, wie ein in Berlin kursierender Gesetzentwurf vorsieht – 5,2 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Dies belaste aber nicht die aktive Arbeitsmarktpolitik, sondern verzögere das Bilden einer Rücklage.
Die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Leonie Gebers, sprach von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Die Arbeitskräftesicherung bleibe Garant des Wohlstands und damit eine zentrale Aufgabe für alle Akteure am Arbeitsmarkt, betonte sie. „Ob Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, Förderung von Weiterbildung in Betrieben, die besonders vom Strukturwandel betroffen sind, oder die intensive Betreuung Geflüchteter nach deren Einstellung durch engagierte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – es braucht das gesamtgesellschaftliche Engagement zur Arbeitskräftesicherung und zur Wohlstandssicherung in Deutschland.“
Nahles: Arbeitslosigkeit im historischen Vergleich niedrig
Im Dezember ging die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im Vergleich zum November vor allem saisonbedingt um 31.000 auf 2,637 Millionen Menschen nach oben. Die Arbeitslosenquote sei um 0,1 Punkte auf 5,7 Prozent gestiegen, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch mit. Im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres stieg die Zahl der Arbeitslosen um 183.000. Die Bundesagentur griff für die Statistik auf Datenmaterial zurück, das bis zum 13. Dezember vorlag.
„Mit Beginn der Winterpause haben Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im Dezember, wie in diesem Monat üblich, zugenommen“, sagte Nahles. Auch ein leichter Anstieg der Kurzarbeit sei zu verzeichnen. Allerdings wachse auch die Beschäftigung weiter und die Nachfrage der Unternehmen nach neuem Personal hat sich im Dezember nicht weiter abgeschwächt.» Im Dezember verzeichnete die Bundesagentur 713 000 offene Stellen, 68 000 weniger als ein Jahr zuvor. Die Nachfrage nach Arbeitskräften sinke auf hohem Niveau schon seit Ende 2022.
Nahles betonte, das abgelaufene Jahr 2023 zähle insgesamt zu den Jahren mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereinigung. Die schwache Konjunktur habe jedoch Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen. Im Jahresdurchschnitt seien 2,609 Millionen Menschen arbeitslos gewesen, 191.000 mehr als im Schnitt des Vorjahres. Die Kurzarbeit habe sich im langjährigen Vergleich auf moderatem Niveau bewegt.
Für 2024 rechnet sie insgesamt mit einer „moderat besseren Entwicklung“ auf dem Arbeitsmarkt, einsetzend ab dem zweiten Quartal.