Mit einer neuen Strategie wollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck der Industrie den Rücken stärken. Die Branche ist allerdings nicht zufrieden. Konkrete Maßnahmen würden noch immer fehlen.
Industriepräsident Siegfried Russwurm hat sich unzufrieden mit der Industriepolitik von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gezeigt. Russwurm sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich hatte Minister Habeck bei der Vorstellung der Industriestrategie ja durchaus so gelesen, dass er inzwischen verstanden hat, wie kritisch die Situation ist. Wir reden längst nicht mehr über kurzfristige Konjunkturdellen, die sich von allein wieder ausgleichen, sondern über strukturelle Probleme des Standorts Deutschland. Aber konkrete Maßnahmen, die die Situation der Unternehmen im globalen Wettbewerb tatsächlich verbessern, fehlen leider immer noch.“
Den Unternehmen fehle das Vertrauen, dass es besser werde. „Und ihnen läuft die Zeit davon“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Nur zu sagen, mit der Industriestrategie kämen irgendwann Verbesserungen für die Unternehmen und dann werde sich schon irgendwie alles einrenken, sei zu wenig.
„Stillstand bedeutet im globalen Wettbewerb zurückzufallen“
„Immer weiter vertrösten und warten, das geht nicht. Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, die vor einem Jahr noch gesagt hat, okay, schauen wir mal, was kommt und halten durch, kann nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Stillstand bedeutet im globalen Wettbewerb zurückzufallen und zu verlieren.“
Habeck hatte im Oktober eine Industriestrategie vorgelegt. Ziel sei es, die Industrie in ihrer ganzen Vielfalt zu erhalten, vom Weltkonzern bis zum Kleinbetrieb, vom Maschinenbau bis zur Raumfahrt, heißt es in dem Papier. Der Grünen-Politiker warb für einen erheblichen Ausbau erneuerbarer Energien, weniger Bürokratie und die rasche Umsetzung der Vorhaben zur Einwanderung von Fachkräften.
Geduld mit Deutschland offenbar am Ende
Habeck hatte zudem lange für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis gekämpft. Nach langem Ringen hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe zu senken und die bisherige sogenannte Strompreiskompensation für Konzerne auszuweiten, die besonders unter hohen Strompreisen leiden.
Russwurm sagte, Niederlassungen internationaler Unternehmen in Deutschland seien oft auf die Entscheidungen von Konzernzentralen außerhalb Europas angewiesen. „Die Deutschland-Geschäftsführer solcher Unternehmen berichten mir sehr glaubwürdig, dass auch da die Geduld mit Deutschland am Ende ist.“
Die Konsequenz sei dann, dass Investitionen nicht in Deutschland getätigt werden. „Das ist nicht immer spektakulär, aber es führt zu einem schleichenden Niedergang – bestehende Produktionslinien werden vielleicht noch eine Weile weiter betrieben, aber neue entstehen nicht mehr in Deutschland.“