Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
an normalen Tagen stehen im Handelsblatt oft Fakten und Zahlen im Mittelpunkt: BIP Eurozone in This fall, Umsatzmultiple bei der Finanzierungsrunde des neuesten Einhorns, Umfragedaten zur Wirtschaftskompetenz der SPD. Zum Ende jeden Jahres jedoch widmen wir eine ganze Ausgabe den Menschen hinter den Zahlen. Menschen, auf die Sie auch im nächsten Jahr achten sollten: Unternehmenslenker, Politikerinnen, Investoren, Gründer und Forscherinnen.
Menschen wie Olaf Scholz und Robert Habeck zum Beispiel, die 2022 zeigen müssen, dass sie ihre Aufbruchserzählung in konkrete Politik überführen können. Managerinnen wie Saori Dubourg , die den grünen Umbau des weltgrößten Chemiekonzerns BASF organisiert. Der Personio-Gründer Hanno Renner, dessen mit Milliarden bewertete Software program aus dem deutschen Mittelstand nicht mehr wegzudenken ist. Und die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die in kaum einer Debatte über den grünen Umbau der Wirtschaft fehlt.
Gestern Abend, als alle Texte fertig waren, musste ich noch einmal über ein paar persönliche Begegnungen aus dem zu Ende gehenden Jahr nachdenken. Da warfare zum Beispiel Yuval Noah Harari, mit dem ich auf einer Konferenz in Sölden vor ein paar Wochen ein langes Gespräch für meinen Podcast geführt habe. Er sagte: “Wenn die Welt zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung in die Entwicklung grüner Technologien und umweltfreundlicher Infrastruktur investieren würde, könnte das ausreichen, einen katastrophalen Wandel des Klimas zu verhindern”. Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, das ist weniger als der deutsche Staat jedes Jahr als Steuerzuschuss an die Rentenversicherung überweist. Umso mehr blieb der nächste Satz bei mir hängen, den Harari gesagt hat: “Was in den nächsten Jahren passieren wird, hängt von unseren Entscheidungen ab.”
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Einer, der sich mit dem Lauf der Geschichte nie abgeben wollte, ist Volkswagen-Chef Herbert Diess, den ich Anfang des Jahres zu einem längeren Abendessen traf. Wir sprachen über seine Imaginative and prescient für VW, über Hindernisse auf dem Weg dorthin und über seinen Angstgegner Tesla. Diess hat sicher mit dem meisten Recht, was er sagt, und er hat auch einiges bewegt. Doch sein brachiales Vorgehen hat viele verschreckt. Gutes Administration besteht eben nur zu zehn Prozent daraus, die richtigen Erkenntnisse zu haben. Zu 90 Prozent bedeutet es, sie auch umgesetzt zu bekommen. Dabei ist es nicht immer hilfreich, die eigene Mannschaft everlasting vor den Kopf zu stoßen.
Der Gründerin Katharina Jünger ist es gelungen, ihre große Idee umzusetzen – sogar gegen das Gesetz. Als sie ihre virtuelle Arztpraxis TeleClinic aufbaute – heute ein echter Champion der Digital-Well being-Szene – waren Videosprechstunden noch verboten. Sie drängte auf die Änderung. Aber darum ging es in unserem Gespräch vor ein paar Wochen nicht so sehr, sondern eher um die Frage, warum in Deutschland immer noch so wenig Frauen bereit sind, Unternehmen aufzubauen. “Gründen ist eine 100-Prozent-Sache”, sagte Jünger. Viele Frauen hätten schlicht keine Ahnung, wo sie ihre Kinder unterbringen sollen, wenn sie sechs Monate nach der Geburt wieder voll einsteigen. Ihr Vorschlag: Bis die Betreuungseinrichtungen ausgebaut sind, sollte die Absetzbarkeit der Betreuung verbessert werden. Bei diesem Gespräch ist mir klar geworden, dass die fehlende Kinderbetreuung in Deutschland auch ein echtes Innovationshemmnis ist.
Und dann warfare da noch unser Düsseldorfer Elektriker, der mich zum ersten Mal ganz persönlich mit den Problemen in der globalen Lieferkette konfrontierte. Ich wollte ihn für eine kleine Sanierung engagieren, doch er musste den Auftrag immer und immer wieder verschieben. Bis dahin dachte ich immer nur, Chips seien knapp. Von ihm lernte ich schon im März vergangenen Jahres: “Stromkabel sind das neue Toilettenpapier”.
1. Angesichts der immer stärker anziehenden Inflation kündigte die US-Notenbank Fed in der vergangenen Woche die erwartete Zinswende an. Die EZB verschließt derweil noch immer ihre Augen vor der Inflationsgefahr und lässt ihre Leitzinsen unverändert. Lediglich das Pandemie-Notprogramm Pepp läuft aus. Im Gegenzug wird allerdings das Kaufprogramm App ausgeweitet. Die Folge dürften eine Abwertung des Euro und eine Verteuerung importierter Waren aus Nicht-Euroländern sein. Diese importierte Inflation wird den Preisdruck in der Euro-Zone verstärken, warnt Handelsblatt Chefökonom Bert Rürup. Es ist höchste Zeit, dass die EZB in der neuen geldpolitischen Realität ankommt.
2. Der fragwürdige geldpolitische Kurs der EZB bewegt viele Leserinnen und Leser des Handelsblatts, das zeigen die Zahlen: Kein Textual content hatte vergangene Woche eine so lange Lesezeit wie das Essay meines Kollegen Jens Münchrath über die Geldpolitik der EZB. Er zeigt, wie politische Versäumnisse die EZB zum wichtigsten wirtschaftspolitischen Akteur Europas gemacht haben. Ein gefährlicher Fehler, wie er zu Recht anmerkt. Münchrath fordert einen Kurswechsel der EZB weg von einer politischen Ersatzregierung und hin zu ihrer ursprünglichen Rolle.
3. Die CDU ringt mit ihrer Zukunft. Und diese Zukunft hat nun ein Gesicht aus der Vergangenheit: 62,1 Prozent der CDU-Mitglieder sprachen sich im Mitgliederentscheid für Friedrich Merz als neuen Parteichef aus. “Triumphgesänge sind mir fremd“, sagte Merz nach seiner Wahl. Es überwiege aber die Demut, als zehnter CDU-Parteivorsitzender der Partei dienen zu dürfen. Wobei das mit der Demut noch abzuwarten ist.
4. Natürlich verkaufen uns die PR-Abteilungen der großen deutschen Autohersteller ihr Engagement in China als riesige Probability. In Wirklichkeit entsteht hier aber eine immer gefährlichere Abhängigkeit. Nach Informationen des Handelsblatts will BMW die Fertigung des X5 und einer Elektroversion der 3er-Reihe nach China verlegen. Daimler wiederum hatte vor wenigen Tagen offengelegt, dass der chinesische Staatskonzern BAIC mittlerweile größter Daimler-Einzelaktionär ist.
5. Die Welt steht vor dem nächsten großen Web-Hype: Das sogenannte Metaverse. Menschen – ausgestattet mit Digital Actuality Brillen – sollen sich in virtuellen Räumen treffen, Konzerte besuchen oder Conferences abhalten. Jeder Hype bietet für Anleger auch Chancen, wie unser Geldanlage-Workforce zeigt. Unternehmen wie Roblox, Snap und Nvidia wollen mit diesem neuen Net 3.0 Geld verdienen. Allerdings ist auch noch nicht klar, ob im Metaverse wirklich ein Milliardenmarkt entsteht oder eine milliardenschwere Luftnummer.
6. Handelsblatt-Auslandschefin Nicole Bastian warfare vor ein paar Tagen in Athen. Sie traf dort zusammen mit Athen-Korrespondent Gerd Höhler auf den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, der die Euro-Schuldenkriterien attackierte: „Wir brauchen einen neuen Rahmen, der finanzielle Nachhaltigkeit sicherstellt“, sagte er im Handelsblatt-Interview. Auf die Frage, ob sich nun eine neue Südallianz der hochverschuldeten Länder herausbilde, sagte er: “Wenn es ein Bündnis der Reformen ist, das Europa antreibt, die Möglichkeiten der Zukunft zu nutzen, dann wäre das doch eine gute Allianz.” Klar ist: Die deutsche Stabilitätskultur gerät unter Beschuss. Und Olaf Scholz stehen schwierige Gespräche bevor, wenn er nächste Woche nach Italien reist. Auch dort wird es um die EU-Schuldenregeln gehen.
7. Es ist ein bislang kaum beachteter Technologietrend: Lebensmittel-Begin-ups, sogenannte Foodtechs, ziehen Investoren aus aller Welt an. Das Berliner Unternehmen Infarm wurde vergangene Woche erstmals mit mehr als einer Milliarde Greenback bewertet. Infarm züchtet Kräuter in speziellen Schränken in Supermärkten – und ist damit höchst erfolgreich. Ich rechne in den nächsten Jahren mit einem Foodtech-Growth.
8. Lange dümpelte der Goldpreis vor sich hin. Doch das könnte sich ändern, wie unser Geldanlage-Workforce berichtet: Viele Fondsmanager und Vermögensverwalter wollen den Goldanteil in ihren Portfolios erhöhen. Der Grund wird Sie nicht überraschen: Die Angst vor Inflation.
9. Vor zwei Wochen kam das Epos „Home of Gucci“ in die deutschen Kinos. Es zeigt eine Mode-Dynastie, die ihre Macht längst verloren hat. Italien-Korrespondent Christian Wermke hat einen Blick hinter die Kulissen der verschwiegenen Firma gewagt. In einem beeindruckenden Report beschreibt er, wie es um den Luxus-Konzern aus Florenz steht, in dem die Familie schon lange nicht mehr das Sagen hat.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Adventswochenende. Wir sind auch zwischen den Jahren rund um die Uhr für Sie im Einsatz.
Herzlichst,
Ihr
Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt
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