Fritz Kalkbrenner ist ein bekannter Musikproduzent, DJ und Sänger. In der Berliner Clubszene ist er zu Hause. Er sieht die massiven Probleme, die diese Orte haben.
Der Musiker Fritz Kalkbrenner ist in der Berliner Clubkultur verwurzelt. Am 1. November bringt der gebürtige Lichtenberger sein neuntes Studioalbum, „Third Place“, heraus. Darin thematisiert er die Bedeutung von Orten, die es aus seiner Sicht neben der Arbeit und dem Zuhause geben muss. Räume, in denen sich unterschiedliche Menschen treffen, austauschen und so im besten Fall ihre Sichtweise erweitern.
Die Clubs, in denen Kalkbrenner einst ein und aus ging, sind seiner Meinung nach ebenfalls solche Orte. Im Interview spricht er über das Sterben dieser Räume in der Hauptstadt und darüber, wie sich die Szene in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
t-online: Wie viel Berliner Clubkultur steckt noch in Ihnen?
Fritz Kalkbrenner: Ich bin jetzt 43. Am Clubleben habe ich logischerweise schon mal aktiver teilgenommen. Ich fühle mich den Betreibern, den Partygängern und den DJs aber noch eng verbunden. Ich bin noch Teil dieser Kultur, auch wenn ich nicht mehr so oft weggehe.
Wie nehmen Sie das Clubsterben in der Hauptstadt wahr?
Das Sterben von Clubs gibt es schon seit langer Zeit. Es werden auch neue Clubs eröffnet, aber da ist eine fallende Tendenz. Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain sind nahezu bereinigt, was größere Namen angeht. Als ich jünger war, gab es im Prenzlauer Berg so 15 bekannte Läden. Heute fällt mir keiner ein. Das geht mit Sicherheit auch mit den Menschen einher, die da leben. Aber man macht es den Clubbetreibern auch unnötig schwer.
Das sagen Sie in Richtung Politik, nehme ich an?
Die Stadt funktioniert nicht wegen, sondern trotz der Politik – jenseits aller Parteien. Man hätte die Räume frühzeitig absichern und erwerben müssen. Das hätte der Staatshaushalt bestimmt hinbekommen. Dann hätte man den Clubbetreibern eine langfristige Abzahlung ermöglichen können. Stattdessen haben die Verantwortlichen die Häuserblöcke an irgendwelche Jungs verhökert, die jetzt genervt davon sind, dass der Boden mal wackelt. Clubs stehen bei der Politik ganz hinten auf der Agenda. Und wenn ehemalige Räume wiederbelebt werden, dann auf unangenehme Weise. Legendäre Orte sind auf einmal irgendwelche Event-Spaces, wo kein Arsch freiwillig reingeht.
Wie hat sich die Clubkultur an sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Man muss sich den Saatboden von allem anschauen: die Wende in Berlin. Ich bezeichne das immer als „Riss der Realität“. Das war eine Zeit, mit der niemand gerechnet hat, in der viel möglich war und die von etwas Mystischem umgeben war.
Das müssen Sie erklären.
Es gab nach der Wende zum Beispiel haufenweise Industriebrachen und viele verlassene Gebäude. Die Leute haben darin einfach Clubs eröffnet. Fragen, ob man damit Geld verdient oder was das Finanzamt dazu sagt, hat man sich nicht gestellt. Das kam erst später, als sich alles institutionalisiert hat. Es war ein Aufeinandertreffen von zwei verschiedenen Welten. Die wilde, unbekannte Clubkultur ist ein fester Teil des Nachwende-Berlins gewesen. Das hallt zwar bis heute nach, über 30 Jahre nach dem Mauerfall. Doch dieses Gefühl nimmt auch immer weiter ab.
Der gebürtige Ost-Berliner Fritz Kalkbrenner, geboren 1981, ist Musikproduzent, DJ und Sänger. In den vergangenen Jahren spielte er Shows auf nahezu allen Kontinenten. Singles wie „Facing The Sun“ oder „Kings & Queens“ erreichten Millionen von Streams. Der bekannteste Hit gelang ihm mit seinem Bruder Paul Kalkbrenner: „Sky and Sand“ hielt sich volle 129 Wochen in den deutschen Charts. Am 1. November erscheint sein insgesamt neuntes Album, „Third Place“.
Die Geschichte von diesem Spirit verkauft man heute noch gerne, dabei verwässert er zunehmend. Als ich 1997 in diese Szene eingetaucht bin, habe ich gedacht, dass das ja der Wahnsinn ist. Da gab es zur Loveparade in den Bögen am Hackeschen Markt noch den Suicide Club. Das kann man sich heute an diesem Ort gar nicht mehr vorstellen. Aber selbst da war es nicht mehr so wie etwa 1992. Ein klein bisschen dieser Freiheit fehlte da schon. In den 2000ern gab es dann eine neue Welle, in der dieser Spirit aufgelebt ist. Er ist immer da, mal mehr, mal weniger, doch auf lange Sicht nimmt das Gefühl ab. Und die Clubs als Orte, an denen man zusammenkommt, gibt es immer weniger.