Landtagswahl
Die Sachsen-Wahl ist so offen wie noch nie
Aktualisiert am 31.08.2024 – 08:00 UhrLesedauer: 4 Min.
Wird das Bündnis Sahra Wagenknecht zum Zünglein an der Waage? Ist die Zeit der Linken im sächsischen Landtag vorbei? Wenige Tage vor der Wahl ist im Freistaat nur eines gewiss: die Ungewissheit.
Wenn am Sonntag in Sachsen ein neuer Landtag gewählt wird, ist der Ausgang so offen wie noch nie. Wie vor fünf Jahren liefern sich CDU und AfD in Wahlumfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. SPD, Grüne und Linke müssen um einen Wiedereinzug in das Parlament bangen. Und mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist ein neuer Player auf der politischen Bühne erschienen. Ob nun als „Wundertüte“ bezeichnet oder als „große Unbekannte“ tituliert – in den Wahlumfragen ist das BSW mit Werten von bis zu 15 Prozent klar drittstärkste Kraft.
Vorbei sind die Zeiten, als man bei der CDU allein über die Höhe des Ergebnisses spekulierte, nicht aber über ihren Sieg. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer macht deutlich, dass die Union ab 1994 trotz aller Wahlsiege mehr und mehr Zweitstimmen verlor. 1994 bekam sie noch knapp 1,2 Millionen davon, 2014 noch gut 645.000. Bei der Wahl 2019 waren es immerhin wieder 50.000 Stimmen mehr.
Bei der letzten Landtagswahl 2019 konnte die CDU mit 32,1 Prozent die AfD (27,5 Prozent) zwar noch auf Distanz halten. Aber inzwischen schlug die AfD die Union in Sachsen bei zwei Bundestagswahlen und einer Europawahl schon drei Mal. Umfragen deuten jetzt auf einen knappen Ausgang hin. Mal hat die CDU die Nase vorn, mal die AfD. Ein Bündnis mit der AfD schließt die CDU kategorisch aus. Der Verfassungsschutz in Sachsen stuft die AfD in dem Freistaat als gesichert rechtsextrem ein.
Im jüngsten ZDF-Politbarometer liegt die CDU mit 33 Prozent vor der AfD (30 Prozent). Das BSW landet bei 12 Prozent, Grüne und SPD bei je 6 Prozent. Die Linken wären mit 4 Prozent draußen und hätten nur dann noch eine Chance, wenn sie zwei Direktmandate holen. Die Freien Wähler kamen bei einer vorherigen Umfrage auf vier Prozent und machen sich Hoffnung. Für die FDP scheint es dagegen wieder nicht zu reichen.
Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL/ntv sieht es ähnlich aus. Hier erreichen die CDU 33 Prozent und die AfD 31 Prozent. Wie beim ZDF-Politikbarometer kommt das BSW auf 12 Prozent und die Grünen auf 6 Prozent. Die SPD liegt mit 7 Prozent noch einen Prozentpunkt besser, die Linken mit 3 Prozent einen Punkt schlechter.
„Der Ausgang ist so offen wie noch nie“, sagt der Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiess. Das verschärfe auch den Wahlkampf. „Grüne und Linke könnten auf Direktmandate angewiesen sein, um überhaupt wieder einzuziehen. Es gibt so viele Unbekannte, man kann wirklich nicht sagen, wie die Wahl ausgeht.“
Politologe Hendrik Träger – wie Kiess an der Uni Leipzig beschäftigt – hält angesichts der Umfragewerte viele Varianten für möglich – von einem Drei-Fraktionen-Parlament aus CDU, AfD und BSW bis hin zu einem Parlament mit sieben Fraktionen, in dem dann auch SPD, Linke, Grüne und Freie Wähler vertreten wären. „Das würde die Regierungsbildung erheblich erschweren.“ Nur die drei erstgenannten Parteien sieht er als „gesetzt“.
Für den Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer steht nur eines fest: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das erstmals bei einer Landtagswahl antritt, wird auf jeden Fall Einfluss auf die Regierungsbildung haben. Im Fall von CDU-Regierungschef Michael Kretschmer als Spitzenkandidat sieht er einen Amtsbonus. Deshalb sei es nicht auszuschließen, dass die CDU am Ende vor der AfD ins Ziel komme.
Vorländer zufolge hätte Kretschmer eine starke Verhandlungsposition, wenn sowohl das BSW als auch die Grünen in den Landtag einziehen. Dann könne er beide gegeneinander ausspielen. Ob er aber tatsächlich versuche, mit dem BSW eine stabile Regierung hinzubekommen, sei zweifelhaft.
Kiess bezweifelt, ob das BSW überhaupt ernsthaft an einer Regierungsbeteiligung interessiert ist, oder „ob Frau Wagenknecht spielt und mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr pokert“. Das sei „wohl ihr größeres Interesse“, sagte er.