Mafia-Paradies?
‚Ndrangheta nutzt deutsche Eigenheit geschickt aus
Aktualisiert am 27.08.2024 – 12:48 UhrLesedauer: 3 Min.
Die italienische Mafia breitet sich in Deutschland unbemerkt aus und infiltriert ganze Branchen. Dabei könnte Deutschland viel von Italien lernen.
In Deutschland ist die italienische Mafia längst nicht mehr nur ein italienisches Problem. Wie das investigative Podcast-Team von „Mafia Land“ aufdeckt, hat sie ihre kriminellen Aktivitäten in Deutschland stark ausgeweitet. Diese Entwicklung bleibt jedoch weitgehend unbeachtet, obwohl die Auswirkungen bereits spürbar sind.
Die Mafia, insbesondere die ‚Ndrangheta, hat es geschafft, ihre illegalen Geschäfte in Deutschland fast unbemerkt auszubauen. In Deutschland war das Bewusstsein für die Mafia bis zu einem Sechsfachmord in Duisburg im August 2007 unterentwickelt. Damals wurden sechs Mitglieder der ‚Ndrangheta vor einem italienischen Restaurant erschossen.
Nach heutigem Kenntnisstand soll es sich dabei um Blutrache zwischen zwei ‚Ndrangheta-Familien gehandelt haben. Erst danach habe die Öffentlichkeit langsam zu begreifen begonnen, dass die italienische Mafia auch in Deutschland aktiv ist, heißt es in der Folge „Mafia Mercatista“ des SWR-Podcasts „Mafia Land“.
Ein Beispiel für den Widerstand gegen die Mafia ist die Gründung des Vereins „Mafia? Nein, danke!“ in Berlin. Initiiert wurde er von Laura Garavini, die nach dem Duisburger Mord entschlossen war, auch in Deutschland ein Zeichen gegen die organisierte Kriminalität zu setzen. Der Verein hilft Restaurantbesitzern, die sich weigern, Schutzgeld zu zahlen. Dennoch bleibt die Mafia eine ständige Bedrohung, wie Brandanschläge auf Restaurants in Berlin zeigen. Der Verein gründete sich auch als Reaktion auf diese.
Deutschland gilt als ein Geldwäscheparadies, besonders wegen der hohen Barzahlungslimits. Mafiosi nutzen diese Lücke aus, um große Geldbeträge unbemerkt in den legalen Finanzkreislauf einzuspeisen. Die „Falcone-Methode“ – das Verfolgen der Geldströme – ist in Deutschland nur eingeschränkt anwendbar, was der Mafia zusätzliche Möglichkeiten bietet, ihre illegalen Einnahmen zu verschleiern.
Geldströme hinterlassen häufig Spuren, diese nutzt die „Falcone-Methode“, um sie zu verfolgen. Vor allem in Italien findet die Methode Anwendung. Aufgrund der in Deutschland geltenden Gesetze kann diese hierzulande nicht vollumfänglich angewendet werden, wie die Autorin Petra Reski auf ihrer Website schreibt.
Wie David Schraven von „Correctiv“ aufdeckt, nutzt die Mafia in Deutschland die Schwächen des Baugewerbes aus. Schwarzarbeit und die Umgehung von Sozialabgaben sind gängige Praktiken, die es der Mafia ermöglichen, Aufträge unterhalb des Marktpreises zu gewinnen und gleichzeitig illegal erwirtschaftetes Geld zu waschen.
Die Mafia investiert ihre illegalen Gewinne zunehmend in Immobilien und Bauprojekte in Deutschland, was nicht nur den Immobilienmarkt verzerrt, sondern langfristig ganze Branchen gefährden könnte. Wenn der legale Sektor durch mafiöse Methoden verdrängt wird, drohen „schmutzige Sektoren“, in denen legale Geschäfte kaum noch Fuß fassen können.
Trotz dieser Bedrohung tut sich Deutschland schwer, effektive Maßnahmen gegen die Mafia zu ergreifen. Die gesetzliche Grundlage für Vermögensabschöpfungen ist schwach, und auch die Strafverfolgung stößt an ihre Grenzen, wie Experten immer wieder betonen.
Während in Italien die Mafia-Mitgliedschaft allein schon strafbar ist, wird in Deutschland oft nur das individuelle Verbrechen verfolgt, nicht aber die Organisation dahinter. In Italien kann außerdem Geld präventiv beschlagnahmt werden, wenn der Verdacht auf Mafiabeteiligung besteht. In Deutschland sind die Hürden hierfür weitaus höher, wie Petra Reski schreibt.
Die italienische Mafia hat in Deutschland ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut, das von der Gastronomie über das Baugewerbe bis zu Immobilien reicht. Diese Entwicklung vollzieht sich größtenteils im Verborgenen, doch die Gefahr für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft wächst, so das Resümee des Podcasts „Mafia Land“.