Am Mittwoch reist der Bundeskanzler für einen kurzen Besuch in die Republik Moldau – eine Reise, geprägt von hohen Erwartungen. Kann Scholz sie erfüllen?
Kurz bevor der Bundeskanzler am moldawischen Regierungsgebäude in Chisinau
eintrifft, ertönt ein Schrei. Ein Kommandeur ruft aufgereihten Soldaten etwas zu. Die heben ihre Gewehre, heben das Kinn. Musik beginnt zu spielen und Olaf Scholz steigt aus seinem Dienstwagen.
Es ist eine bis ins Detail einstudierte Begrüßung, die sie hier in Moldau für den Kanzler vorbereitet haben. Immerhin ist es der erste bilaterale Besuch eines deutschen Regierungschefs seit zwölf Jahren. Da soll jede Bewegung sitzen. Scholz wirkt fast etwas überrumpelt, als er dem Kommandeur auf einem roten Teppich gemeinsam mit dem moldawischen Ministerpräsidenten Dorin Recean gegenübertritt. Er spielt mit seinem Jackett, sucht den Knopf, dann wandert die Hand wieder hinunter. Unterdessen führt Recean gekonnt durch die Choreografie.
Die Gespräche kommen erst noch. Und die Erwartungen in Moldau? Sie sind nicht gerade klein.
Hoffnung auf einen EU-Beitritt und die Angst vor Russland
Mit seinem Besuch in Moldau will der Kanzler vor allem eines bekunden: Solidarität. Denn der prowestliche Kurs, den die Staatspräsidentin Maia Sandu hier in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat, kommt in Ländern wie Deutschland zwar gut an. Er ist jedoch keineswegs gesetzt. Im Gegenteil: Derzeit kann Sandu jede Hilfe von außen gebrauchen. Im Oktober stehen ihr Wahlen bevor, und Russland versucht, auf diversen Wegen Einfluss auszuüben. Wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten werden instrumentalisiert, um bei den Bürgerinnen und Bürgern Stimmung gegen die Regierung zu machen.
Sandus hofft derweil auf den EU-Beitritt. Im März 2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges, hatte die ehemalige Sowjetrepublik einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt. Bei den Gesprächen mit Scholz ging es entsprechend auch um den Aufnahmeprozess. Aber auch um die Auswirkungen des Krieges auf das ukrainische Nachbarland, deutsche Unterstützung und Migrationsabkommen.
Erreicht Scholz mit seinem Besuch am Ende mehr als nette Bilder und warme Worte?
Tatsächlich sprechen sich am Mittwoch zwar sowohl Sandu als auch Scholz für den EU-Beitritt aus, allerdings ohne ein „Wann“ zu nennen. Denn in Wahrheit könnte der Weg für Moldau in die Europäische Union noch ein weiter werden. Dem Land geht es wirtschaftlich extrem schlecht. Eine Mitgliedschaft würde vor allem eines bedeuten: zusätzliche Kosten. Die kann in der EU derzeit niemand gebrauchen.
Hinzu kommt, dass große Teile der moldawischen Bevölkerung abwandern, etwa aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage. Auch nach Deutschland. Die Zahl abgelehnter Asylbewerber gehört zu den höchsten aller Herkunftsstaaten. Nachdem die deutsche Regierung im Dezember Moldau zu einem sicheren Herkunftsland erklärt hatte, steht derzeit nach wie vor ein Migrationsabkommen zwischen den Ländern aus.
Die Frage ist: Hat die moldawische Regierung überhaupt ein Interesse daran, Menschen zurückzunehmen, wenn sie darauf hofft, zeitnah ein „Teil der europäischen Familie“, wie es die Präsidentin sagt, zu werden?
Das Dilemma lässt sich insofern beantworten, als bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen, damit es funktioniert. Übersetzt heißt das: Moldau erhofft sich Unterstützung, und im Gegenzug könnte man sich bereit zeigen, ein Rücknahmeabkommen zu unterzeichnen. Unterstützung heißt in dem Fall vor allem: Geld.
In der Pressekonferenz lässt die Präsidentin Sandu ihre Haltung dazu durchblicken. Nachdem der Kanzler betont hat, dass die Steuerung von Migration ein wichtiges Thema sei, sagt die Moldawin auf die Frage nach einem Abkommen: Das werde vorbereitet. Und: „Wir freuen uns, dass unsere Menschen in Deutschland ein gutes Zuhause gefunden haben.“ Klingt erst mal nicht nach Rücknahme. Scholz neben ihr verzieht keine Miene.
Dann fügt Sandu hinzu, Ziel sei es, dass die Lebensbedingungen in Moldau besser werden. Damit es sich gerade für junge Menschen lohne, zurückzukommen. Die Bedingung scheint damit klar zu sein: wirtschaftliche Unterstützung.
Das Problem: Scholz‘ Mittel sind begrenzt. Gerade erst haben die Ampelspitzen den Haushalt neu verhandelt. Mit dem Ergebnis einer 12-Milliarden-Lücke. Es ist also kein Wunder, dass am Ende des Besuchs tatsächlich nicht viel mehr als viele Bilder und ein paar nette Worte stehen.
Immerhin kann der Kanzler sich für einen Tag dem Drama seiner eigenen Koalition entziehen.