Das Verbot von „Compact“ wird vorerst nicht mehr vollzogen – bis das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet. Das ist zwar ein Sieg für die Meinungsfreiheit, aber nicht zwangsläufig für Compact.
Derzeit geschieht Wegweisendes, so viel steht fest: Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“ im Eilverfahren vorerst kassiert. Ob es tatsächlich rechtskräftig wird, muss in einem Hauptverfahren entschieden werden. Das dürfte einige Jahre dauern.
Die Kritik an Bundesinnenministerium Nancy Faeser ist groß. Von einem „Rückschlag“ ist die Rede. Hat ihr Ministerium etwa nicht seine Hausaufgaben gemacht?
Tatsache ist: Es muss kein Rückschlag für Faeser sein. Die Entscheidung ist natürlich ein Novum, denn bislang hatte das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesinnenministerium noch bei jedem Vereinsverbot zumindest teilweise den Rücken gestärkt. Ein Hinweis darauf, dass sie gut vorbereitet waren.
Dass es sich in diesem Fall zunächst anders verhält, muss aber nicht das Gegenteil bedeuten. Auch im Bundesinnenministerium werden die Verantwortlichen um die besonderen Rahmenbedingungen der Verfügung gewusst haben. Verboten wurde schließlich nicht nur eine GmbH, sondern mit ihr auch das Magazin. Ein besonderer Einschnitt in die Meinungs- und Pressefreiheit.
Dem hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Eilentscheidung auch besondere Rechnung getragen, indem es den Machern bis zu einer endgültigen Entscheidung einstweiligen Rechtschutz gewährte – und zwar obwohl Überwiegendes darauf hindeute, dass die Compact-Magazin GmbH „in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt“.
Zunächst müsse geprüft werden, so das Gericht, ob das Verbot verhältnismäßig sei oder ob andere rechtliche Maßnahmen zuvor hätten in den Blick genommen werden müssen.
Grundsätzlich ist es sehr erfreulich, dass die Richter in einer die Meinungsfreiheit grundsätzlich betreffenden Sache offenbar schnell die Tragweite erkannt haben.
Nichtsdestotrotz liegt Elsässer falsch, wenn er nun von einem „Sieg“ spricht. Der Ausgang der Klage ist offen, gut möglich, dass das Bundesverwaltungsgericht letztlich der Argumentation des Bundesinnenministeriums folgen wird, das hier vielleicht bewusst den Mut hatte, eine Grundsatzentscheidung in schwieriger Sache anzustreben.
Wie geht die Demokratie mit ihren offen auftretenden Feinden um? Wie weit darf die Meinungsfreiheit gehen? Womöglich würde sich die Frage in geringerem Maße stellen, wenn frühere Verbote hinsichtlich dieser Fragen höchstrichterlich geklärt worden wären.
2016 wurde die islamistische Organisation „Die wahre Religion“ verboten, die vor allem mit Koran-Verteilaktionen öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatte. Hauptgrund war, dass ihre Agitation eine „kämpferisch aggressive Grundhaltung bei den überwiegend jungen, zum Teil minderjährigen Anhängern“ schaffe und schüre. Das ist eine ähnliche Argumentation, wie sie nun auch gegen „Compact“ herangezogen wird. Eine Grundsatzentscheidung blieb damals aus, weil sich die Islamisten letztendlich gegen den Klageweg entschieden, um sich in Strafverfahren nicht belasten.
Ähnlich ging es im Fall der Gewaltaufrufe bei der Plattform „Indymedia.Linksunten“ aus. Auch hier hätte zur Debatte gestanden, ob angesichts der Presse- und Meinungsfreiheit nicht mildere Eingriffe als ein vereinsrechtliches Verbot Handhabe geboten hätten. 2020 scheiterten die Kläger letztendlich, weil auch sie sich angesichts von Strafverfahren nicht als Verantwortliche des verbotenen Vereins zu erkennen gaben.
Im Fall „Compact“ sind Ross und Reiter klar und so steht dann wohl auch nichts der höchstrichterlichen Klärung im Wege. Ob das Magazin allerdings auch nach dem Hauptverfahren Grund zur Freude haben wird, bleibt abzuwarten. Danach wird jedenfalls klarer sein, wie die Demokratie mit ihren Feinden verfahren kann.