Düsseldorf Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) steigt schneller aus der lockeren Geldpolitik aus: Sie drosselt ihre Anleihekäufe noch stärker als zuletzt und ebnet damit den Weg für mehrere Zinserhöhungen im Frühling oder sogar schon im letzten Wintermonat März. Die US-Anleger an der Wall Avenue feierten den neuen Kurs der Fed. Der Dow Jones schloss intestine ein Prozent fester, der markbreite S&P 500 1,63 Prozent und der technologielastige Nasdaq 2,35 Prozent im Plus.
Die Fed gab am Mittwochabend bekannt, dass sie ihre Käufe von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren netto um monatlich 30 Milliarden Greenback senken wird. Zuletzt hatte dieser Wert bei 15 Milliarden Greenback gelegen. Im kommenden Jahr könnte das Tempo der Drosselung noch weiter anziehen.
Beim bislang geplanten Tempo wäre das Ankaufvolumen von ursprünglich 120 Milliarden Greenback monatlich erst im Juni 2022 bis auf null abgeschmolzen. Jetzt könnte es schon im Frühjahr so weit sein. Der Abschluss des als „Tapering“ bezeichneten Prozesses gilt als Voraussetzung für eine Zinserhöhung.
Die abrupte Änderung des Tapering-Tempos spiegelt „die Inflationsentwicklung und die weitere Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt“ wider, erklärte die Fed in ihrer Mitteilung. Sie sei „bereit, das Tempo der Käufe anzupassen, wenn Änderungen der wirtschaftlichen Aussichten dies rechtfertigen“. Zum ersten Mal seit langem benutzte die Fed nicht mehr das Wort „vorübergehend“ im Zusammenhang mit der Inflation.
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Während seiner Pressekonferenz erklärte Fed-Chairman Jerome Powell , dass ihn die jüngsten Wirtschaftsdaten und insbesondere die Inflationsdaten dazu bewegt hatten, das Tempo anzuziehen. Am Freitag battle bekannt geworden, dass die Inflation im November bei 6,8 Prozent lag. „Das ist nicht die Inflation, die wir erwartet hatten“, stellte er klar. Und die Wirtschaft sei stark genug, um die Anleihenkäufe zu beenden. Als Risiko nannte Powell die Omicron-Variante.
Sicherheit für die Börsen
Die parallel veröffentlichten ökonomischen Annahmen (die sogenannten Dot Plots) zeigen, dass die Fed-Mitglieder im nächsten Jahr nach der mittleren Schätzung drei Zinserhöhungen von jeweils 0,25 Prozent für angemessen halten. Fürs Jahr 2023 gehen die Notenbanker von drei weiteren Zinsschritten aus. Damit würde die Fed in den nächsten beiden Jahren sechsmal an der Zinsschraube drehen.
Eine wichtige Nachricht für die Finanzmärkte ist allerdings: „Die Zinsen werden zwar schneller steigen, aber nicht höher als bislang erwartet“, erklärt Thomas Altmann von GC Companions. „Somit ändert sich nur der Weg, das Ziel bleibt gleich. Denn bei der langfristigen Zinserwartung hat sich kein einziger der 17 Dots verschoben. Und das gibt den Börsen Sicherheit.“ Aktuell liegt der Leitzins im Bereich von null bis 0,25 Prozent.
Die geldpolitischen Entscheidungen waren an den Finanzmärkten weitgehend so erwartet worden, erklärte Gregory Daco, Chef-Volkswirt von Oxford Economics. „Die Einschätzung des Ausblicks erscheint recht ausgewogen, daher sollten sich die Finanzierungsbedingungen nicht massiv verschlechtern.“
Größere Verwerfungen an den Märkten blieben daher aus: An der Wall Avenue stiegen der Leitindex Dow Jones und der breiter gefasste S&P 500 um 1,67 Prozent. Der Nasdaq-Index kletterte sogar um mehr als zwei Prozent. Die Rendite der maßgeblichen zehnjährigen US-Staatsanleihen stieg leicht auf 1,458 Prozent. Der Greenback-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, baute seine Gewinne aus und stieg um bis zu 0,4 Prozent auf 96,914 Punkte.
David Zervos, Chefstratege von Jefferies lobte den Auftritt von Powell und die Tatsache, dass sich Powell flexibel zeigte, auf die verschiedenen Szenarien flexibel zu reagieren. „Das wird dem Markt einen Increase geben“, sagte Zervos und gab der Pressekonferenz die Bestnote A+.
Kritikern arbeitet Powell nicht schnell genug
Dennoch gab es auch Kritik an dem Vorgehen der Fed, dass einigen Beobachtern nicht schnell genug geht. Frederic Mishkin, Professor der Columbia Universität und ehemaliges Fed-Mitglied kritisierte vor allem, dass die Fed auf die Vollbeschäftigung warten wolle, bis sie die Zinsen erhöht. „Ich denke, wir sind vielleicht schon bei Vollbeschäftigung“, sagte Mishkin dem Wirtschaftssender CNBC. „Ich glaube, sie sind viel zu optimistisch, was die Inflation angeht“ , kritisiert er. „Sie machen nicht den Job, den sie machen müssten“.
Powell selbst stellte in seiner Pressekonferenz klar, dass die USA derzeit „schnellen Fortschritt Richtung Vollbeschäftigung“ machten. Er nannte die Definition von Vollbeschäftigung eine „Ermessensentscheidung“, in die viele Faktoren einfließen von Arbeitslosigkeit, Beteiligung am Arbeitsmarkt und die Zahl der offene Stellen. „Wir haben derzeit einen sehr angespannten Arbeitsmarkt“ sagte Powell und deutete damit an, dass die Vollbeschäftigung wahrscheinlich nicht mehr weit entfernt sei.
Das Anleihekaufprogramm wurde in der Coronakrise gestartet, um die Konjunktur zu stützen. Die Fed pumpte so zusätzliches Geld in die Finanzmärkte, um die Kreditzinsen niedrig zu halten und die Wirtschaft anzukurbeln.
Mit dem schnelleren Abschmelzen der Käufe reagiert die Fed jetzt auf die Inflationsentwicklung. In den USA ist sie im November mit 6,8 Prozent auf den höchsten Stand seit 40 Jahren gestiegen. Die Teuerungsrate ist damit sehr weit über das Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent hinausgeschossen.
In ihrer nun aktualisierten Inflationsprognose geht die Fed davon aus, dass die Teuerungsrate 2021 auf 5,3 Prozent steigen wird (zuvor 4,2 Prozent). Für 2022 stieg die Erwartung auf 2,6 Prozent.
ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann führt die Entwicklung auf das „überdimensionierte“ Konjunkturpaket von US-Präsident Joe Biden zurück: „Eine durch historisch hohe Staatsschulden angefachte Nachfrage trifft auf ein durch Lieferengpässe eingeschränktes Angebot. Dieser Combine ist hochinflationär, so dass die Geldpolitik nun gegensteuern muss.“
Die Fed geht auch nicht mehr davon aus, dass die höhere Inflation nur vorübergehend ist. Sie strich deshalb das bisher so wichtige Wort „transitory“ aus ihrem Assertion. Höhere Zinsen könnten die Inflationsrate ausbremsen, aber auch gleichzeitig das Wachstum der weltgrößten Volkswirtschaft drosseln.
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