Brüssel, Berlin Sie sind einer der größten Klimasünder, aber auch ein Bereich mit erheblichem sozialen Spaltpotenzial: Gebäude. Bis zu 240 Millionen Immobilien gibt es in der EU. Um sie zu beheizen und zu kühlen, verbrauchen die Europäer 40 Prozent ihres gesamten Energiebedarfs. 36 Prozent der innerhalb der Union verursachten Treibhausgase gehen auf diesen Sektor zurück.
Damit ist klar: Wenn die EU ihre Klimaziele erreichen will, wonach die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken sollen, müssen Immobilien energieeffizienter werden. Das Konzept der Kommission lautet daher: renovieren, renovieren, renovieren. „Etwa 75 Prozent des derzeitigen Gebäudebestandes ist energetisch ineffizient“, schreibt die Brüsseler Behörde in einem neuen Gesetzentwurf. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor. An diesem Mittwoch soll es offiziell vorgestellt werden.
„85 bis 95 Prozent der heute existierenden Gebäude werden auch noch im Jahr 2050 stehen“, stellt die Kommission fest. Ginge das Renovieren in dem derzeitigen Tempo weiter, dauere es mehrere Jahrhunderte bis alle Immobilien energetisch umgerüstet sind.
Die Kommission will mit etlichen Maßnahmen nachhelfen und muss zugleich aufpassen, dass die Wohnkosten wegen der Renovierungen nicht in astronomische Höhen steigen. Daher sollen reichlich Fördermittel fließen: zum Beispiel aus den Regionalfonds, aus dem „Fonds für den gerechten Übergang“, der für die Finanzierung einer sozial verträglichen Energiewende aufgelegt wurde, und aus den Corona-Wiederaufbauhilfen. Auch privates Geld soll mobilisiert werden.
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Die wichtigsten Vorschläge der Kommission sind:
1. Energieeffizienz verbessern
Die Kommission fordert, dass bei Renovierungen bestimmte energetische Mindeststandards umgesetzt werden, die von 2035 an für alle Altbauten gelten. Die Mitgliedsländer dürfen dabei entscheiden, welche Mindeststandards sie vorschreiben, solange sie helfen, den Gebäudesektor bis 2050 klimaneutral zu machen.
Allerdings müssen Neubauten schon von 2030 an „energieautark“ sein, öffentliche Gebäude sogar schon früher, Altbauten spätestens 2050. Energieautark bedeutet, dass Gebäude so energieeffizient sind, dass nur noch sehr wenig Energie benötigt wird, die vor Ort durch erneuerbare Quellen, wie zum Beispiel Solardächer, selbst erzeugt werden kann.
Die EU-Kommission setzt vor allem auf „tiefe Renovierung“: Damit bezeichnet sie Renovierungen, die mit 30 Prozent Energieeinsparungen einhergehen. Mitgliedstaaten sollen diese durch finanzielle Hilfen und einen geringen bürokratischen Aufwand unterstützen. Zugleich macht Brüssel strenge Vorgaben: Gebäude, die von Januar 2027 an nicht die Kriterien für eine Energieklasse E (und von Januar 2033 an für die Klasse C) erreichen, sollen vom Markt verschwinden: Ihr Verkauf oder ihre Vermietung ist dann nicht mehr erlaubt.
„Renovierungen sind der Schlüssel, um den Energieverbrauch von Gebäuden zu reduzieren, die Emissionen zu senken und auch die Energiekosten“, schreibt die Kommission – und wirbt für ihren Ansatz: Durch Renovierungen entstünden Arbeitsplätze und Wachstum.
2. Nachhaltiges Baumaterial
Auch der Prozess des Bauens soll bei der Emissionsreduzierung berücksichtigt werden. Denn sogenannte eingebettete Emissionen machen weltweit etwa zehn Prozent der Emissionen des Gebäudesektors aus. Zukünftig sollen sie in den Energieausweisen von Gebäuden mitberücksichtigt werden.
Um die Emissionen zu senken, setzt die Kommission auf „Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft“. Zudem sollen vermehrt nachhaltige Baumaterialen verwendet werden, zum Beispiel Holz.
3. Abbau fossiler Energiequellen
Zwei Drittel des Energieverbrauchs von Gebäuden stammt von fossilen Energieträgern, allen voran additionally Öl und Fuel. Mitgliedstaaten sollen sich nun darum kümmern, dass die Gebäudenutzung ohne fossile Energieträger auskommt und spätestens 2027 keine Fördermittel mehr für den Bau von Öl- oder Gasheizungen vergeben. „Alle neuen Gebäude sollen emissionsfrei sein und bereits existierende Gebäude sollen bis 2050 emissionsfrei umgebaut werden“, betont die Kommission auch in diesem Teil der Richtlinie.
4. Ladesäulen für E-Autos
Um auch emissionsfreie Mobilität zu fördern, soll in Häusern außerhalb von Wohngebäuden zumindest eine Ladestelle von E-Autos installiert werden. Bei jedem herkömmlichen Parkplatz sollen bereits die nötigen Kabel verlegt werden, um dort später einen Ladepunkt bauen zu können. Zudem soll für jeden Autoparkplatz auch ein Fahrradparkplatz eingerichtet werden.
„Unter dem Strich kann man den Vorschlag der Kommission als eine ausgewogene Mischung aus Preisgestaltung, Zielvorgaben und Fördermaßnahmen bezeichnen“, lobt der SPD-Europapolitiker Ismail Ertug. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass die Renovierungskosten nicht allein an den Mietern hängen bleiben.
Der Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft GdW dagegen übt Kritik: Die EU-Richtlinie sei ein „Rückschritt“, so GdW-Präsident Axel Gedaschko. Denn sie „berücksichtigt die guten Quartiersansätze, wie sie auch im ‧Koalitionsvertrag und in den Beschlüssen der Bauministerkonferenz enthalten sind, nicht“. Stattdessen werde in der Richtlinie „das einzelne, isolierte Gebäude in den Fokus genommen“.
Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen, haben die Verbände noch: Der Vorschlag der Kommission muss noch von Parlament und Mitgliedstaaten angenommen werden.
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