Der Journalist und Waffenexperte Lars Winkelsdorf kämpft seit Jahren gegen seine Verurteilung an. Er will, dass der Prozess neu aufgerollt wird. Fürchtet die Staatsanwaltschaft sich vor ihren eigenen Fehlern?
Seit gut zwei Jahren wartet Lars Winkelsdorf darauf, dass sein Antrag auf Wiederaufnahme behandelt und der Prozess gegen ihn neu aufgerollt wird. Er wurde im April 2012 wegen des Anstiftens zum Führen von Waffen verurteilt. Rund um einen Fernsehbeitrag, den er gar nicht erstellt hatte. Er hatte lediglich einen Kollegen beraten.
In den Ermittlungsakten fehlten damals wie heute wichtige Dokumente, ein Staatsanwalt stellte Winkelsdorf wider besseres Wissen als „Pseudo-Journalisten“ dar und verharmloste den mittlerweile inhaftierten Waffenhändler. Unterdessen gibt es auch weitere Zeugen, die Winkelsdorfs Erzählungen stützen.
Warum sträubt sich die Staatsanwaltschaft vor einer Klärung der offenen Fragen? Es erweckt den Eindruck, als werde ein Unschuldiger geopfert, um über die eigenen Fehler hinwegzutäuschen. Ein Staatsanwalt droht Winkelsdorf sogar.
Die Geschichte beginnt vor mehr als 15 Jahren. Im Jahr 2006 kam Winkelsdorf in Kontakt mit dem illegalen Waffenhändler Guido W. Zu dieser Zeit arbeitete der Journalist an einem Sat.1-Film, der sich mit illegalem Waffenhandel, Schwarzmarktpreisen und der Trägheit der Ermittlungsbehörden beschäftigte. Winkelsdorf verifizierte sorgfältig, dass Guido W. tatsächlich mit Waffen handelte. Sie trafen sich zu Vorbesprechungen, bei denen Guido W. ihm Waffen zeigte und Informationen über deren Herkunft und Käufer preisgab. „Alles war überprüfbar“, so Winkelsdorf. Für den Film traf er sich mit Guido W. in einer Garage in der Nähe von Winkelsdorfs Haus. Dort führten sie ein Interview, in dem die illegalen Waffen gefilmt wurden. Spätestens seit diesem Treffen war Guido W. darüber informiert, wo Winkelsdorf wohnte.
Winkelsdorf vermittelt anderen Journalisten Kontakt
Der Beitrag erregte bald großes Aufsehen, auch bei Winkelsdorfs Kollegen Mark L., der einen ähnlichen Beitrag für den Sender Kabel 1 erstellen wollte. Mark L. bat Winkelsdorf, ihm den Kontakt zu Guido W. zu vermitteln, was dieser auch tat. Fortan hatte Mark L. direkten Kontakt mit dem Waffenhändler. Am 12. März 2007 rief Mark L. jedoch Winkelsdorf an, weil Guido W. darauf bestand, sich in vertrauter Umgebung zu treffen: in Winkelsdorfs Haus in Hamburg, das er bereits von den Gesprächen im Jahr zuvor kannte. Widerwillig stimmte Winkelsdorf zu, und die Dreharbeiten fanden bei ihm statt. Der Film wurde unter dem Titel „Kabel 1 – Dealer am Abzug“ ausgestrahlt.
Später wurde Winkelsdorf für den Beitrag von Mark L. wegen Anstiftung zum Führen von Waffen verurteilt.
Dabei wurde Winkelsdorf bei der ersten Anklage sogar freigesprochen. Doch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung und spickte die Begründung dafür mit unwahren Tatsachenbehauptungen. Und stützte diese auf lücken- und fehlerhafte Ermittlungsakten. Auf diese Fehler wiesen Winkelsdorf und sein Anwalt in dem Wiederaufnahmegesuch hin. Und informierten sogar den Generalstaatsanwalt der Hansestadt Hamburg, Jörg Fröhlich. Bislang ohne Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft versucht, in den unterschiedlichen Teilen der Ermittlungsakte ein schlechtes Bild über Winkelsdorf und seine journalistische Arbeit zu zeichnen. So finden sich in den kompletten Akten, trotz einer Hausdurchsuchung bei Winkelsdorf, keine Belege für seine Tätigkeit für unterschiedliche Redaktionen. Nachweislich arbeitete Winkelsdorf jedoch für Fachzeitschriften rund um das Waffenrecht, aber auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So war er immer wieder Autor für das für seine investigative Arbeit bekannte Format Frontal 21 (heute: frontal) tätig. t-online liegen Rechnungen aus dieser Zeit vor. Außerdem finden sich diverse Beiträge in den Archiven des Senders und Winkelsdorf war sogar bei Pressekonferenzen in den Räumen der Polizei Hamburg als Journalist für Frontal 21 zugegen.
Der damals zuständige Staatsanwalt zieht diese investigative Arbeit von Winkelsdorf ins Lächerliche. So schreibt er in einer Verfügung, dass Winkelsdorf lediglich „nach eigenen Angaben für gute und seriöse Arbeit bekannt ist“. Mit welcher Art Journalist er es zu tun hat und wie Journalisten in solchen sensiblen Bereichen vorgehen, hätte der Staatsanwalt mit einem Gutachten klären können. Das sieht die RistBV, die Richtlinie für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, eigentlich sogar vor. Und zwar beim Deutschen Journalistenverband (DJV). Doch solch ein Gutachten wird nicht eingeholt.
Dann hätte der Staatsanwalt vielleicht auch weitere Beweisstücke richtig eingeordnet. Denn in den Akten nennt er Autorenbeiträge für Fachmagazine „Konzepte“. Oder er deutet ein Sendemanuskript von Kabel 1, das nach jeder Sendung für Gehörlose zur Verfügung gestellt wird, als Drehanweisung. So ist bei dem Staatsanwalt offenbar fälschlicherweise der Eindruck entstanden, Winkelsdorf hätte dem illegalen Waffenhändler gewissermaßen Regieanweisungen gegeben. Dabei war dies nur eine Hilfe für Menschen mit Handicap, die den Beitrag nachlesen wollten.