Häuser werden aus Fundamenten gehoben, Autos zu tödlichen Geschossen: In Deutschland gab es schon Tornados der höchsten Kategorie. Wann kommt der nächste?
Ohrenzeugen hörten am 29. Juni 1764 aus der Ferne ein unheimliches Geräusch: wie ein Trommelwirbel, „der in eins weggeschlagen wird“, habe das Wüten des Sturmes geklungen. Augenzeugen beschrieben eine „ziemlich große, auf der Erde einhergehende, dicke und obenher wallende und dem Dampfe eines Backofens oder siedenden Topfes gleichende Wolke“.
Es war der stärkste bisher in Deutschland registrierte Tornado überhaupt und die Verwüstung so immens. Anhand des beschriebenen Schadensbildes stufen Wissenschaftler den Wirbelsturm von Woldegk heute als einen sogenannten F5-Tornado ein. Weltweit wurde noch kein Tornado einer höheren Kategorie der sogenannten Fujita-Skala zugeordnet.
Ein F5-Tornado kann sogar Asphalt von der Straße schälen und erreicht Windgeschwindigkeiten von 419 km/h und mehr. Einer der bisher tödlichsten Tornados dieser höchsten Stufe kostete 158 Menschen das Leben: 2011 riss der Sturm im US-Staat Missouri unter anderem ein mehrstöckiges Krankenhaus aus dem Fundament und versetzte das Gebäude.
Mehrere beatmete Krankenhauspatienten starben, als der Strom ausfiel. Dutzende Menschen wurden in ihren zusammenstürzenden Häusern begraben, vom Wirbelwind aus ihren Zufluchtsorten gesaugt oder in ihren Autos davongefegt. Große Sattelschlepper flogen bis zu 200 Meter weit, ein Bankgebäude trug der Sturm komplett ab – am Ende stand nur noch der Tresorraum aus Beton auf einer ansonsten leeren Fläche.
Dass der F5-Tornado in der Nähe des mecklenburgischen Woldegks im Jahr 1764 weniger verheerend war, hatte mit sehr viel Glück zu tun. Er zog vorrangig über Felder, und weil gerade Feiertag war, befanden sich viele Menschen in der Kirche – und somit abseits der bis zu 900 Meter breiten und 30 Kilometer langen Schneise, die der Sturm schlug. Dennoch: Kinder wurden in einen See geweht, eine Frau von Trümmern erschlagen. Schafe flogen davon, Hagel tötete Gänse. Aus einem See wurden Wassermassen gen Himmel gesaugt und in einem Waldgebiet massive Stümpfe von zuvor gefällten Eichen aus dem Boden gerissen.
„Es sind allein schon die ausgerissenen Baumstümpfe, die deutlich in Richtung F5 gehen“, erklärt der Meteorologe und Tornado-Experte Thomas Sävert auf die Frage, wieso der Tornado von Woldegk auf der Fujita-Skala so weit oben geführt wird.
Wie wahrscheinlich ist es, dass noch einmal ein Tornado mit solcher Kraft über Deutschland tobt? Was würde passieren, wenn er dichter besiedelte Gebiete träfe? Und begünstigt eventuell der Klimawandel die Entstehung von Tornados? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Video | Dashcam filmt Fahrt durch Tornado
Quelle: Glomex
Tornados bilden sich oft mit sogenannten Superzellen. Das sind rotierende Gewittertürme, die bei einer starken Temperaturabnahme mit der Höhe entstehen, wenn gleichzeitig kräftige Windscherung vorhanden ist. Mit Windscherung ist gemeint, dass der Wind sich in Richtung und Stärke deutlich ändert.