Moderne Autos sammeln etliche Daten. Doch wohin fließen sie? Ein Experte erklärt, warum jeder Autofahrer bewusster mit dem Thema umgehen sollte.
12.670 Kilometer – diese Strecke legt jeder Autofahrer in Deutschland im Schnitt mit seinem Auto pro Jahr zurück. In modernen Fahrzeugen erfassen immer mehr Sensoren jedes noch so kleine Detail und viele dieser Details werden gespeichert. Doch wohin fließen all diese Daten? Und wie sicher ist die Datenübertragung?
Arndt von Twickel ist Referatsleiter für Cybersicherheit für intelligente Transportsysteme und Industrie 4.0 im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Er ist davon überzeugt: Sicherheit lässt sich nur dadurch herstellen, dass Hersteller und Behörden enger zusammenarbeiten. Aber auch die Autobesitzer sieht er in der Pflicht.
t-online: Wenn ich mir jetzt einen Neuwagen kaufe, was weiß mein Auto in einem Jahr über mich?
Arndt von Twickel: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Einerseits gibt es gesetzliche Vorschriften, die erfüllt werden müssen, und dazu gehören auch verpflichtende Systeme, die Daten speichern und übertragen. Andererseits haben auch die Hersteller Möglichkeiten, eigene Daten zu erfassen. Zusätzlich kann der Nutzer die Erfassung, Speicherung und Übertragung der Daten durch Systemeinstellungen beeinflussen.
Was wäre ein Beispiel für die verpflichtenden Systeme?
Zum Beispiel das System E-Call, das bei einem Unfall automatisch einen Notruf absetzt. Neue Fahrzeuge müssen dafür ein Mobilfunkmodul eingebaut haben. Die letzten Standorte des Autos werden gespeichert und bei einem Unfall an eine Notfallstelle übertragen. Aber an dieser Stelle fängt es schon an: Einerseits gibt es das von der EU regulierte Notfallsystem. Die Hersteller haben aber auch die Option, ein eigenes System einzubauen.
Und dort fließen mehr Daten?
Ja, aber dazu müssen dann die Kunden ihre Einwilligung geben. Das machen sie schon bei der Übergabe des Autos durch den Händler. Die meisten Kunden bemerken diesen Vorgang der Zustimmung wahrscheinlich nicht mal oder wissen nicht, was da genau passiert. Dann fließen bereits deutlich umfangreichere Daten. Aber andersherum ist genau diese Zustimmung zum Datenaustausch meist auch Voraussetzung für einen erweiterten Funktionsumfang, dass beispielsweise Softwareupdates eingespielt werden können, das Auto also auf dem neuesten Stand ist.
Dr. Arndt von Twickel leitet seit Januar 2023 das Referat „Verkehr und Industrie 4.0“ im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn. Von 2018 bis 2022 hat er als technischer Referent und Projektmanager im BSI Verantwortlichkeiten in den Themengebieten Biometrie, Künstliche Intelligenz und Automotive übernommen. Vor seiner Zeit beim BSI hat er als Forscher mit Lehraufgaben in den Bereichen Neurobiologie, Neuroinformatik und Robotik an verschiedenen Forschungseinrichtungen gearbeitet.
Was können Autos alles erfassen?
Bildhaft ausgedrückt ist ein Auto potenziell eine Superwanze, ausgestattet mit allen Sensoren, die man sich vorstellen kann: von Mikrofonen über Kameras bis hin zu Ultraschall- oder Lasersensoren. Ein Auto kann feststellen, ob der Fahrer auf dem Sitz sitzt, ob das Lenkrad festgehalten wird, wann was am Infotainmentsystem bedient wird, wie schnell der Fahrer fährt, ob er müde ist und so weiter. All diese Daten stehen womöglich zur Verfügung.
Die Frage ist eben, wann werden diese Daten aufgenommen? Wann und wo werden sie gespeichert? Wann und wohin werden sie übertragen? Und wer hat dann nachher Zugriff auf diese Daten und unter welchen Bedingungen?
Weiß man, welche Daten übertragen werden?
Auch für Experten ist es schwierig, in diese Systeme reinzuschauen. Die Hersteller sind in Bezug auf IT-Sicherheit inzwischen ziemlich erfahren. Die Daten werden verschlüsselt, das heißt, wir können teilweise nur noch sehen, wie viele Daten wann übertragen werden – aber nicht, welche Daten genau. Neben der freiwilligen Transparenz der Hersteller haben hier Fahrzeughalter nach DSGVO den Anspruch, auf Nachfrage von den Herstellern Auskunft über die gespeicherten Daten zu erhalten. Mit einem entsprechenden Aufwand und im gesetzlich vorgegebenen Rahmen sind auch unabhängige Prüfungen denkbar.
Wozu werden diese Daten gebraucht?
Klar ist: Die Hersteller benötigen diese Daten für die Entwicklung ihrer Assistenzsysteme. Es ist EU-Vorgabe, dass wir den Straßenverkehr sicherer machen, und wir alle wollen komfortableres Fahren. Das ist nur mit Assistenzsystemen möglich, mit künstlicher Intelligenz im Fahrzeug. Um diese Systeme zu trainieren, werden Daten entsprechender Qualität und Quantität benötigt. Ohne Daten funktionieren sie nicht.
Das heißt, wir müssen immer wieder eine Balance herstellen zwischen den Anforderungen an den Datenschutz einerseits und dem Bedarf an Daten für die Ermöglichung bestimmter Funktionen andererseits.
Was können Autofahrer selbst bestimmen?
Zum einen gibt es die Datenschutzgrundverordnung, die auf Datenminimierung abzielt. Zum anderen gibt es den Data Act der EU, bei dem es um die bessere Nutzung von Daten geht – aber auch, dass der Nutzer die Hoheit über diese Daten hat. Und da ist das Entscheidende, inwieweit der Nutzer vom Hersteller einbezogen wird bei der Frage, was mit den Daten passiert.