Starkregen, Stürme und Hitze: Unsere Infrastruktur ist schon heute regelmäßig von den Folgen der Klimakrise überfordert. Ein neues, bundesweites Klimaanpassungsgesetz soll helfen, uns vor Gefahren zu schützen. Aber inwieweit können wir uns überhaupt anpassen?
Am Mittwoch standen in Berlin nach Starkregen und Hagel viele Straßen unter Wasser. Das Wasser lief ins Untergeschoss des Bahnhofs Friedrichstraße und in den Keller der Berliner Stadtbibliothek. Wegen Unwettern musste während der Europameisterschaft in Deutschland ein Spiel zeitweise unterbrochen und mehrere Public Viewings abgesagt werden. Im ersten Halbjahr 2024 haben wir in Deutschland bereits drei massive Hochwasser erlebt.
Das meinte die Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz, Steffi Lemke, wohl, als sie in ihrer Rede zum Klimaanpassungsgesetz im November vergangenen Jahres im Bundestag sagte: „Wir befinden uns vielleicht im Jahr vier oder fünf, in dem wir die Folgen der Klimakrise wirklich sehen, spüren, und unsere Wirtschaft diese Folgen spürt. Und ich kann Ihnen sagen, eines ist klar: dass wir noch viele dieser Jahre vor uns haben und dass deshalb Klimaanpassung essenziell ist.“
Sie hat Recht: Sich an die Folgen der Klimakrise anzupassen und sich gegen die Gefahren abzusichern, ist bereits heute dringend nötig. In einer klimaangepassten Stadt bedeutet das etwa: weniger Versiegelung, also weniger Asphalt- und Betonflächen, und mehr Begrünung auf Dächern, Fassaden und Straßen. Bei Hitze wird die Stadt auf diese Weise heruntergekühlt, bei Starkregen kann das Wasser besser versickern. Naturnahe Flussauen helfen, dass Flüsse bei Hochwasser mehr Platz finden und nicht unkontrolliert über die Ufer treten.
Entsprechende Anpassungsmaßnahmen werden zum Teil auch schon länger umgesetzt. Seit 2008 gibt es die sogenannte Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Seit Juli ist nun das neue Klimaanpassungsgesetz in Kraft. Es soll einen verbindlichen Rahmen für Bund, Länder und Kommunen vorgeben, um sich auf aktuelle und kommende Gefahren vorzubereiten. Und entsprechende Maßnahmen auch flächendeckend und dauerhaft zu finanzieren. Denn angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Klimakrise eskaliert, sind die aktuellen Initiativen nicht ansatzweise ausreichend, wie die Journalistinnen Susanne Goetze und Annika Joeres in ihrem Buch „Klima außer Kontrolle“ nach der Flutkatastrophe im Ahrtal recherchierten.
Anpassung ist wichtig. Was hierzu geplant ist, reicht bisher aber nicht ansatzweise aus. Und sie ist kein Ersatz, sondern eine notwendige Ergänzung zu dringend benötigten Maßnahmen, die einen weiteren Anstieg der Temperaturen verhindern.
Ein Beispiel, das oft als Anlass zum Spott über die Deutsche Bahn dient, illustriert die Notwendigkeit und zugleich Grenzen der Klimaanpassung gut: Bei Hitze sind in Deutschland in den vergangenen Jahren regelmäßig die Klimaanlagen der ICEs ausgefallen. In großem Umfang gaben sie erstmals während einer Hitzewelle im Juli 2010 den Geist auf. Viele Anlagen schalteten sich damals einfach ab, teils in einzelnen Waggons, teils in ganzen Zügen. Drinnen wurde es so heiß, dass Fahrgäste kollabierten.
Anschließend wurden die Klimaanlagen von der Bahn gewartet und aufgerüstet, 2015 kam es wieder zu zahlreichen Ausfällen. Der Grund: Die Klimaanlagen waren bis dahin nur auf Außentemperaturen von 32 Grad ausgelegt, entsprechend der Bahn-Norm für Mitteleuropa. Die Anlagen des ICE 4 sollen nun Temperaturen bis zu 40 Grad im Schatten standhalten. 2022 wurden bei gleich vier Wetterstationen im Norden und Osten Deutschlands über 40 Grad gemessen.
Und Klimaanlagen sind bei Weitem nicht das einzige Problem für die Bahn: Bäume, die von Dürren geschwächt sind, fallen bei Stürmen schneller auf die Gleise. Beim Hochwasser in Süddeutschland entgleiste vor wenigen Wochen ein ICE nach einem Erdrutsch. Wenn ich im Hochsommer meine Großmutter in Brandenburg besuche, kommen die Regionalzüge regelmäßig zu spät. Sie müssen langsamer fahren, weil sich durch die Hitze die Gleise verzogen haben.
Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise so, dass jede und jeder sie verstehen kann. In ihrem Buch „Klartext Klima!“ – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. 2022 wurde sie vom „Medium Magazin“ zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt. Hier geht es zum Autorinnen-Profil.
Mit den Hitzewellen und dem Waldsterben 2018 und 2019 und der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 kam die Klimakrise für viele Menschen in Deutschland gefühlt näher. Im Sommer 2022 führten diverse große Flüsse in Europa zeitweise kaum Wasser. 2023 brannte es erst massiv in Südeuropa, etwa in Portugal und auf der griechischen Insel Rhodos. Kurz später standen große Teile Sloweniens und Griechenlands unter Wasser. All diese Klimafolgen erleben wir heute – bei 1,3 Grad globaler Erhitzung. Auch in Europa. Auch in Deutschland.