Die AfD hat nach einigem Ringen eine neue Fraktion im EU-Parlament gegründet. Das Bündnis „Europa der Souveränen Nationen“ avanciert zum Sammelbecken radikaler Rechter.
Wochenlang wurde diskutiert, jetzt ist es vollbracht: Die AfD hat am Mittwoch mit Abgeordneten aus sieben anderen Ländern eine neue Fraktion im EU-Parlament gegründet. Das neue Bündnis trägt den Namen „Europa der Souveränen Nationen“ (ESN). Mit 25 Abgeordneten ist es die kleinste Fraktion im Brüsseler Parlament – und die radikalste.
Als „Resterampe“ oder „Hooliganfraktion“ wird das Bündnis in AfD-Kreisen auch bezeichnet. Grund sind die neuen Partner: Manche der Parteien sind jung und unerfahren, andere haben bei der EU-Wahl stark an Zustimmung verloren, nicht wenige positionieren sich im politischen Spektrum ihrer Heimatländer rechts von ohnehin bereits radikalen Rechten. Sie sind auch deswegen relativ klein: Mit 14 Abgeordneten ist die AfD der Platzhirsch, die anderen Parteien schicken drei oder sogar nur einen Abgeordneten in die Fraktion.
Wie schwierig die Fraktionsbildung war, zeigen auch Planänderungen auf den letzten Metern: So ist die spanische Partei Se Acabó La Fiesta („Die Party ist vorbei“), die immerhin mit drei Abgeordneten eingezogen wäre, im neuen Bündnis vorerst doch nicht mit von der Partie. Hier sollen nach Informationen von t-online noch Gespräche laufen. Die Partei SOS Romania disqualifizierte sich demnach nach ersten Vorgesprächen ganz als Partner.
Für viele der neuen Partner dürfte das „Europa der Souveränen Nationen“ die einzige Bündnismöglichkeit in Brüssel gewesen sein. Ganz sicher war das so bei der AfD – sie wurde aus ihrer vorherigen Fraktion „Identität und Demokratie“ nach einem SS-verharmlosenden Interview ihres EU-Spitzenkandidaten ausgeschlossen. Gar nicht erst erwogen wurde sie als Teil der sehr viel mächtigeren Fraktion „Patrioten für Europa“, die sich bereits am Montag mit 84 Abgeordneten rund um den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán und die Chefin des französischen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, gegründet hatte.
Auch in der AfD ist der Weg nicht unumstrittenen, den die Partei mit der Fraktionsgründung einschlägt. Besonders die radikalsten Flügel-Vertreter um Köpfe wie Björn Höcke oder Maximilian Krah befürworten seit Jahren die Abspaltung von rechten Parteien, die in Europa bereits an Regierungen beteiligt sind oder das anstreben und deswegen oft etwas gemäßigter auftreten. Sie wollen lieber eine kleine Fraktion, die dann aber ungehindert extrem rechte Positionen vertreten soll.
Die AfD-Spitze hätte prominentere Partner bevorzugt, das ist kein Geheimnis. Noch Anfang des Jahres versuchte AfD-Chefin Alice Weidel Verstimmungen hin zu Le Pens RN auszuräumen. Das aber scheiterte – und die AfD verprellt nicht nur die Franzosen. Die radikale Kleinstfraktion ist für die AfD also alternativlos – außer sie will fraktionslos sein. Dann aber würde sie sich viele Gelder und Personal entgehen lassen, die an die Fraktionszugehörigkeit gekoppelt sind.
Der Schritt in Brüssel könnte auch bei der AfD in Berlin nachwirken – und den in den vergangenen Jahren fortschreitenden Radikalisierungskurs der Partei weiter befeuern. „Die Partner in der Fraktion zeichnet ein ganz klarer Kurs pro Russland, pro Radikalität, pro übersteigertem Nationalismus aus“, sagt einer aus AfD-Kreisen t-online.
Es ist eine Sammlung von Partnern, die selbst mancher in der Partei zum Teil schlicht als „irre“ bezeichnet. Ein Überblick:
1. Die AfD – Deutschland
NS-Verharmlosung, Spionage- und Korruptionsverdacht, Vertreibungsphantasien: Die AfD hat in den vergangenen sechs Monaten so große Skandale geliefert, dass sie mehrfach auch international Schlagzeilen machte. Aus der ID-Fraktion wurde sie deswegen auf Betreiben von Marine Le Pens RN ausgeschlossen. Die AfD-Abgeordneten in Brüssel verbannten daraufhin den größten Störfaktor aus ihren Reihen: Maximilian Krah, bis dahin Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl. Aber auch neue Partner vom „Europa der Souveränen Nationen“ blicken skeptisch auf den größten Player in dem Bündnis: So sollen die Abgeordneten aus Polen und Frankreich darauf gedrungen haben, dass Krah nicht in die AfD zurückkehren darf.
Wegen ihrer 14 Abgeordneten steht ihr trotzdem klar ein Platz an der Doppelspitze der Fraktion zu. Den übernimmt nun der Thüringer René Aust, der bereits Chef der AfD-Delegation ist und die Gespräche mit den internationalen Partnern maßgeblich geführt hat.