Wegen einseitiger Klauseln in Prämiensparverträgen steht Sparern nachträglich Geld zu. In welcher Höhe, das hat nun der Bundesgerichtshof geklärt.
Einst Verkaufsschlager – nun Ärgernis: Seit Jahren gibt es Streit über Prämiensparverträge, die Sparkassen und Volksbanken mit Hunderttausenden Kunden abschlossen. Dass Geldhäuser in vielen Fällen die Zinssätze einseitig zu ihren Gunsten ändern konnten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig erklärt. Nicht höchstrichterlich geklärt war bislang die Frage, wie die Zinsen für diese Produkte zu berechnen sind. Nun haben die Karlsruher Richter auf Basis zweier Musterklagen für Klarheit gesorgt.
Die Zinsen bei sogenannten Prämiensparverträgen dürfen sich an den Durchschnittsrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere orientieren. Der Bundesgerichtshof wies damit höhere Forderungen der Verbraucherzentrale zurück. Die Verbraucherschützer hielten es für angemessen, dass sich die Zinsen für Prämiensparer an den Durchschnittsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen orientieren sollten.
Auch bei der Frage, wann Ansprüche verjähren, konnten sich die Verbraucherschützer nicht durchsetzen. Sie waren überzeugt, dass die Verjährung nicht beginnen könne, bevor feststehe, wie die Zinsen zu berechnen sind. Diese Ansicht teilte der BGH nicht. Trotzdem zeigte sich die Verbraucherzentrale in einem anschließenden Pressegespräch zufrieden.
„Die heute ergangenen Urteile des BGH sind überwiegend eine sehr gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Sparer haben Anspruch auf Rückerstattung“, sagte Ronny Jahn, Leiter Team Musterfeststellungsklagen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Es sei nun an der Zeit, dass die Sparkassen ihr Ansehen bei den Kunden wiederherstellten.
„Eins ist nun ganz klar: Die Zinsen sind falsch berechnet worden. Wir erwarten jetzt von der Sparkasse, dass sie von sich aus auf die Sparer zugeht“, sagte auch Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen. Mit dem Zinsanhang nach Gutsherrenart sei es nun vorbei.
Die Klagen führen dazu, dass Prämiensparer die Zinsen erhalten, die ihnen die Sparkassen bislang vorenthalten haben. Sie bekommen also Geld – je nach Vertrag können das auch mehrere tausend Euro sein. Allerdings gilt das nur, wenn der Prämiensparvertrag bisher nicht gekündigt wurde oder die Kündigungen nicht länger als drei Jahre zurückliegt.
Im juristischen Sinne bindend ist das Urteil nur für die beiden verklagten Sparkassen: die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden (Az. XI ZR 40/23 und XI ZR 44/23). Da es sich bei den Verträgen aber um Standardprodukte der Sparkassen handelt, gelten die Festlegungen des Gerichts aus Sicht der Verbraucherzentrale inhaltlich auch für Prämiensparverträge anderer Sparkassen.
„Wir empfehlen betroffenen Kunden, nichts zu überstürzen und raten vor allem davon ab, vorschnell Angebote der Banken anzunehmen“, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Geldratgebers „Finanztip“. Als ersten Schritt sollten Betroffene von ihrer Bank eine Neuberechnung der Zinsen beantragen. Wichtig sei auch: „Werden Verbraucher nicht tätig, verjähren die Ansprüche drei vollständige Jahre nach Kündigung.“
Wessen Vertrag also beispielsweise 2021 endete, hat noch bis Ende dieses Jahres Zeit, aktiv zu werden. „Betroffene sollten in diesem Fall eine Schlichtungsstelle einschalten, um so die Verjährung zu hemmen“, rät Tenhagen.
Sparerinnen und Sparer erhalten bei diesem Produkt zusätzlich zum variablen Zins eine Prämie, die meist nach Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, desto höher fällt die Prämie aus. Solche Sparverträge wurden in den 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre vertrieben – vor allem von Sparkassen („Vorsorgesparen“, „Vermögensplan“), aber auch von Volks- und Raiffeisenbanken („Bonusplan“, „VRZukunft“).
Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigten sich Gerichte mit Prämiensparverträgen und deren Verzinsung. Der BGH entschied bereits 2004, dass Vertragsklauseln rechtswidrig waren, mit denen sich Sparkassen eine Senkung ihrer Zinsen nach Belieben erlaubten. Seither wurde gestritten, wie hoch die Verzinsung hätte sein sollen. 2021 bestätigte der BGH frühere Urteile, wonach viele Altverträge von Sparkassen unzulässige Klauseln enthalten.
Im Jahr 2021 gab es etwa 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland, aktuellere Zahlen liegen der Finanzaufsicht Bafin nicht vor. Seither dürfte die Zahl deutlich gesunken sein, weil Institute – soweit rechtlich möglich – teilweise ganze Vertragsjahrgänge kündigten. Bei laufenden Verträgen fließen Zinsnachzahlungen nicht automatisch. Verbraucherzentralen machen seit Jahren mit Musterfeststellungsklagen Druck. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen führt neun solcher Verfahren, denen sich 6.000 Verbraucher angeschlossen haben.