Doch das war längst nicht alles. 2015 publizierte Mélenchon eine Streitschrift, in der es nur so vor antideutschen Ressentiments wimmelte. Darin wetterte er gegen die deutsche Verlogenheit, suggerierte, die Deutschen gäben vor, nur an FKK-Baden, Waldspaziergängen und Honigstullen interessiert zu sein, während sie in Wirklichkeit mit ihren Kohlekraftwerken und Chemiefabriken halb Europa vergifteten.
Das Skurrilitätenkabinett seines Deutschland-Hasses ist ebenso lang wie schillernd. So bezeichnete er die deutsche Wiedervereinigung einmal als „illegale Annexion“ der DDR, forderte, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse „auf den Müll“, das Aus des DFB-Teams nach der Vorrunde WM 2018 bejubelte er bei Twitter mit dem Bekenntnis, er verspüre „große Freude“.
Den Deutschen an sich skizzierte er als grämliche, düstere Gestalt. „Die Deutschen, das ist ein Modell für Menschen, die sich nicht für das Leben interessieren“, schimpfte er 2013. „Niemand will Deutscher sein. Sie sind ärmer als der Durchschnitt, sie sterben früher als die anderen, und sie haben keine Kinder.“
In seinem Pamphlet, das den versponnenen Titel „Deutschland: Der Bismarckhering – das deutsche Gift“ trägt, zeichnete Mélenchon Deutschland als „Monster“, das die EU fest im Griff hat und den anderen EU-Staaten seinen Willen aufzwingt. Er wettert darin auch gegen das „deutsche Modell“, den Weg wirtschaftlicher Solidität und einer rigorosen Austeritätspolitik. Die gilt auch vielen Franzosen als vorbildlich.
Mélenchon, den die „NZZ“ mal einen „gefährlichen Rüpel“ nannte, propagiert hingegen einen antiliberalen, antikapitalistischen Kurs, er unterstützt große staatliche Eingriffe, die Deckelung von Managergehältern und ein Grundeinkommen für junge Leute. Klassische (alt-)linke Positionen also.
Was davon bloßes Wahlkampfgetöse bleiben wird, und was Mélenchon tatsächlich umsetzen kann, sollte er wirklich Premierminister werden, wird sich zeigen. Erst einmal muss überhaupt eine Regierung gebildet werden in Frankreich. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen.
Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen, entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.
Einen kleinen Erfolg konnte Mélenchon allerdings am Sonntag noch verbuchen: Der noch amtierende Premierminister Gabriel Attal zog erste Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt an.