Vor zehn Jahren startete Ikea einen großen Versuch: Mitte in einer Einkaufszone eröffneten die Schweden ein Möbelhaus. Es war der Beginn einer neuen Ära – auch für den Stadtteil.
Es ist voll in der Großen Bergstraße: An diesem Samstagvormittag drängen sich Kunden an den Ständen des Wochenmarkts. Es gibt frische Erdbeeren und Brot, in den umliegenden Cafés sind alle Plätze draußen besetzt und beim türkischen Schlachter hat sich eine kleine Schlange gebildet. Und zwischen all dem Gewusel schleppen Menschen blaue Tüten oder flache Kartons aus einem großen Gebäude. Hier befindet sich eine Ikea-Filiale. Die erste, mitten in einer deutschen Fußgängerzone.
Vor zehn Jahren wagte der schwedische Möbelriese einen Versuch: Statt riesige Häuser auf der grünen Wiese zu eröffnen, schnappte sich Ikea einen in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex und eröffnete dort den ersten City-Ikea der Welt. Die Idee: Im Geschäft kaufen die Kunden Kleinkram, wie Geschirr oder Kerzen. Sofas und Küchen werden weiterhin in Schnelsen und Moorfleet geshoppt. Ikea will rein in das Leben, in den Alltag der Leute und nicht mehr draußen vor den Toren der Stadt bleiben.
Ein mutiger Plan, der auf Widerstand traf. Der Möbelmarkt würde für ein enormes Verkehrsaufkommen sorgen, wenn all die Kunden mit dem Auto anreisen, kritisierten Anwohner. Dazu fürchteten sie die mögliche Verdrängung von alteingesessenen Mietern, wenn das Viertel so künstlich aufgewertet wird. Eine Bürgerinitiative, die ein Stadtteilzentrum in dem alten Gebäude haben wollte, war schnell gegründet: Kein Ikea in Altona.
Nicht alle waren dagegen: Gerade ansässige Unternehmer aus der Großen Bergstraße erhofften sich eine Belebung des Gebiets. Denn die Große Bergstraße hatte schon deutlich bessere Tage erlebt. Seit dem Aus der Karstadt-Filiale 2003 ging es für die in den 1970er-Jahren florierende Einkaufsstraße stetig bergab. Mitte der 2000er-Jahre dominieren billige Modeläden und Ein-Euro-Shops die Einzelhandelsszene, die Kaufkraft war niedrig. Obdachlose hatten den Tunnelbereich zum Bahnhof Altona für sich entdeckt.
Einige Händler in der Straße spekulierten auf den Ikea-Effekt: mehr Leute, Aufwertung, mehr Umsatz. Ihr Zusammenschluss „Einzelhandelsverband Einkaufscity Altona“ meldete im September 2009 ein Pro-Ikea-Bürgerbegehren an. Initiator Klaus-Peter Sydow hoffte so, „den Niedergang der Großen Bergstraße zu beenden“, wie die „taz“ damals schrieb. Unterstützung gab es auch aus der Bezirksversammlung und von der Stadt: Die Initiative kam auf 77 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war hoch. Das Möbelhaus hatte gewonnen.
„Altona ist eines der spannendsten Projekte, die wir bei Ikea je hatten“, erklärte damals der Expansionschef des Unternehmens, Johannes Ferber. Die Bauphase sei „nicht trivial“ gewesen, erzählt der heutige Regionalleiter der drei Hamburger Ikea-Märkte, Thomas Pflugner. Ikea hätte keine Erfahrung mit dem Bau einer solchen Filiale gehabt. Statt eingeschossig in die Breite zu bauen, schraubt sich die Altonaer Filiale in die Höhe. Auch die Parkplätze mussten auf viele Etagen verteilt nach oben gebaut werden.
Zunächst wurden Gebäudeteile abgerissen, dann ein eingeschossiger Riegel für Geschäfte revitalisiert. Am Ende erstrecken sich 18.000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf 10.000 Quadratmetern Grund über acht Etagen, inklusive der Parkdeckes. 80 Millionen Euro hat Ikea sich das Bauprojekt kosten lassen, für das Grundstück bezahlten die Schweden 11,5 Millionen Euro.
Nach der Eröffnung musste Ikea erst mal umdenken, so Regionalleiter Pflugner. Denn die Strategie ging nicht auf: Die Leute wollen nicht nur Accessoires und Deko shoppen, auch Möbel. Rund ein Jahr nach der Eröffnung musste das Sortiment angepasst werden.