Er feierte mehrere WM-Titel, sorgte für einen Skandal, wurde gesperrt, begnadigt und ist jetzt zurück: Flavio Briatore übernimmt wieder eine Rolle in der Formel 1.
15 Jahre nach seinem Skandal-Aus kehrt Michael Schumachers früherer Teamchef Flavio Briatore in offizieller Funktion in die Formel 1 zurück und wird bei Krisenteam Alpine Chefberater.
Der für die „Crashgate“-Affäre ursprünglich lebenslang gesperrte Italiener soll der Renault-Tochter entscheidende Impulse für ein Comeback liefern. Was könnte seine Berufung in der für 2025 offenen Fahrer-Frage für Mick Schumacher bedeuten?
Briatore, der eine Liaison mit Model und Moderatorin Heidi Klum hatte, aus der Tochter Leni hervorging, soll sich bei Alpine insbesondere auf die „Spitzenbereiche des Teams“ konzentrieren, wie am Freitag vor dem Grand Prix von Spanien in Barcelona bekannt gegeben wurde. Dabei gehe es unter anderem um „Einblicke in den Fahrermarkt“, und er solle das „bestehende Projekt“ in der Formel 1 hinterfragen, indem er die „aktuelle Struktur“ bewerte und „in einigen strategischen Fragen“ Ratschläge gebe.
Briatore wird direkt an Renault-Geschäftsführer Luca de Meo berichten, der dringend Hilfe beim Umbau von Alpine braucht. Der Rennstall hat in den vergangenen Monaten von Teamchef Otmar Szafnauer über Sportdirektor Alan Permane bis zu Geschäftsführer Laurent Rossi eine ganze Wagenladung Spitzenpersonal verschlissen.
Die Herausforderungen beim Achten der Konstrukteurswertung sind gewaltig. De Meo denkt ob massiver finanzieller Aufwendungen dem Vernehmen nach sogar darüber nach, zur Einführung des neuen Reglements 2026 aus dem Werksteam Alpine ein Kundenteam zu machen. Mercedes wird als Motorenpartner gehandelt.
Briatore, der sich in diesem Jahr bei einer Herzoperation einen gutartigen Tumor entfernen lassen musste, ist ein gewiefter Strippenzieher. Er könnte diesen Deal einfädeln, so wie er schon viele Deals zuvor eingefädelt hat. „Flavio ist kein Racer, aber er trifft immer die richtigen Entscheidungen“, lobte die einstige Teamchef-Legende Frank Williams einmal den italienischen Lebemann, der auch eine On-Off-Beziehung mit Model Naomi Campbell hatte.
Briatore ist der Sohn eines Lehrer-Ehepaares aus Verzuolo im Piemont. Als Geschäftsmann in Mailand lernte er Modezar Luciano Benetton kennen, der ihn zunächst in sein Unternehmen und schließlich 1988 in seinen Rennstall holte. Ohne wirkliche Ahnung von der Formel 1, ohne wirkliche Ahnung von der Technik. Ein T-Shirt-Hersteller, wie er selbst amüsiert meinte. „Mein Ansatz war, das Team so zu führen, wie man jedes andere Unternehmen führt“, erzählte Briatore einmal. „Ich war nicht emotional, weil es nicht meine Leidenschaft war.“
Der grelle Briatore lotste Anfang der 90er Michael Schumacher in sein Team. 1994 und 1995 holte der gebürtige Kerpener im Benetton die ersten beiden seiner insgesamt sieben WM-Titel. Später wurde Briatore Teamchef bei Renault und beendete mit Fernando Alonso 2005 die Serien-Triumphe Schumachers bei Ferrari. 2006 gewann Alonso unter Briatore, der ihn bis heute als Manager berät, erneut die Fahrer-WM.
Wegen seiner Verwicklung in den Skandal um einen absichtlichen Unfall des Brasilianers Nelson Piquet jr. in Singapur 2008 – „Crashgate“ wurde die Affäre getauft – wurde Briatore vom Motorsport-Weltverband Fia zunächst lebenslang gesperrt. „Es geht nicht, dass einer mit seinen Praktiken Motorsport betreibt. Für Flavio war die Formel 1 nie Sport, sondern immer nur Geschäft“, schimpfte damals Vater Nelson Piquet sr. Ein französisches Gericht befand später die lebenslange Sperre für ungültig.
Briatore konnte damit leben – hatte mehr Zeit für andere Projekte. Er etablierte eine Modelinie, gründete Nachtclubs, ging in die Gastronomie und war in einer Reality-Show das südländische Pendant zum früheren US-Präsidenten Donald Trump, der sich unter mehreren Kandidaten im TV einen Lehrling aussuchen konnte.
Einer der wichtigsten Aufgaben bei Alpine ist die Suche nach mindestens einem neuen Fahrer für 2025. Esteban Ocon muss den Rennstall, an dem eine Investorengruppe um Hollywood-Schauspieler Ryan Reynolds Anteile besitzt, zum Saisonende verlassen. Ob Pierre Gasly weitermachen darf, ist noch nicht geklärt. Eine Chance für Mick Schumacher? Der Sohn von Rekordchampion Michael Schumacher ist auch in diesem Jahr Ersatzpilot bei Mercedes, aber auch für das Langstreckenprogramm von Alpine tätig.
„Er steht auf der Liste, aber die Liste ist lang“, sagte vor Kurzem Teamchef Bruno Famin. „Ich weiß gar nicht, wie viele Namen darauf stehen. Jeder spricht mit jedem, uns es sind immer noch einige gute Fahrer für uns zu haben.“ Als heißer Kandidat gilt jedoch auch Alpine-Ersatzfahrer Jack Doohan. Und Briatore soll zu ihm einen engen Draht haben.