Eine Apotheke möglichst in der Nähe ist vielen wichtig. Doch seit Jahren geben mehr und mehr Standorte auf. Können neue Regeln eine Trendwende erreichen?
Das Netz der Apotheken in Deutschland wird immer dünner. Um das Angebot für die Patienten vor allem auf dem Land zu erhalten, sollen Vorgaben für die Apotheken nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deutlich flexibler werden. „Es besteht Handlungsbedarf, um die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln mittel- und langfristig weiterhin zu sichern“, heißt es in einem Entwurf des Ministeriums für ein Apotheken-Gesetz.
Es soll Anforderungen etwa an Öffnungszeiten und die Anwesenheit von Apothekerinnen und Apothekern lockern und neue digitale Lösungen ermöglichen. Die Krankenkassen unterstützen die Pläne, die Apothekenbranche meldete bereits scharfen Widerstand an.
Die Zahl der Apotheken schrumpft schon seit längerem. Ende März waren es noch 17.429 und damit weitere 142 weniger als Ende vergangenen Jahres. Derzeit setzten sich Schließungen fort, erläuterte das Ministerium. Gründe seien auch ein Mangel an Fachkräften und eine Abwanderung von Praxen in ländlichen Regionen. Ziel sei daher, Apothekenstandorte in schwach versorgten Gebieten zu stärken und auch Neugründungen zu erleichtern. Ein Überblick über Kernpunkte des Entwurfs, der voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte in den Bundestag kommen soll.
Bisher sind Apotheken zur „ständigen Dienstbereitschaft“ mit möglichen Befreiungen verpflichtet, aus denen sich feste Öffnungszeiten ergeben. Dies soll flexibler gehandhabt werden können, um sich an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen, wie es im Entwurf heißt. Statt der Vorgabe, werktags von 8.00 bis 18.30 Uhr offen zu sein, sollen es künftig „sieben Stunden während der ortsüblichen Geschäftszeiten“ sein – und samstags statt fest von 8.00 bis 14.00 Uhr künftig eine entsprechende Spanne von vier Stunden.
Möglich sein sollen künftig „Filialverbünde“ aus einer Hauptapotheke, bis zu drei Filialen und maximal zwei weiteren „Zweigapotheken“. Um die Gründung von Filialen zu erleichtern, sollen sie in einem größeren Umkreis liegen können als bisher. In einem Verbund soll eine Apotheke auch zentral Prüfungen und die Herstellung von Medikamenten übernehmen können. In Orten mit schlechterer Arzneiversorgung sollen für Zweigapotheken Anforderungen etwa an erforderliche Räume gelockert werden. Möglich sein soll auch, dass sie nur vier Stunden täglich geöffnet haben.
Ausgebaut werden soll die „Telepharmazie“ über interaktive Videoverbindungen. Dadurch soll eine Apotheke auch öffnen können, wenn die Apothekerin oder der Apotheker nicht selbst vor Ort ist, sondern in einer anderen Apotheke des Verbunds – und Beratungen bei Bedarf über die digitale Verbindung machen kann. Mindestens acht Stunden pro Woche muss die Apothekenleitung aber persönlich anwesend sein. Ansonsten sollen in diesem Rahmen auch erfahrene pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten da sein können.
Vorgesehen sind unter anderem „Honoraranreize“ für Standorte in ländlichen Regionen und eine gerechtere Verteilung der Honorare, wie es im Entwurf heißt. Dafür soll der Zuschlag pro Arzneimittelpackung, den es zu Notdienstzeiten gibt, von 21 auf 28 Cent erhöht werden. Geplanter Effekt: Da Apotheken in Regionen mit wenigen anderen Apotheken öfter Notdienst haben, profitieren sie besonders. So sollen jährlich 50 Millionen Euro mehr für die Notdienstvergütung verfügbar sein.
Für Patientinnen und Patienten sollen weitere Impfungen auch in Apotheken zu bekommen sein – neben Corona- und Grippe-Impfungen etwa auch Standardimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie oder Polio.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen begrüßte die Pläne, die den Weg in eine Modernisierung der Strukturen wiesen. „Es nützt den Menschen auf dem Land nichts, wenn wie bisher die Apothekeninhaber in den Hauptbahnhöfen und Einkaufsstraßen der Großstädte noch mehr Geld verdienen“, sagte Sprecher Florian Lanz der Deutschen Presse-Agentur. Daher brauche es kluge Konzepte für eine gerechte Umverteilung zwischen den sehr unterschiedlichen Apotheken.
Der Kassenverband schlägt einen „Versorgungsbonus“ für Apotheken auf dem Land und am Stadtrand vor, die weniger Medikamente verkaufen als City-Apotheken im Stadtzentrum.“ Konkret heißt das: Für die Menge an abgegebenen Medikamenten, die für einen wirtschaftlichen Apothekenbetrieb notwendig sind, sollte es in Stadt und Land mehr Geld geben. Wer darüber hinaus noch mehr Medikamente abgibt, bekommt pro Packung etwas weniger als heute“, erläuterte Lanz.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnte dagegen bereits vor einer „zerstörerischen Reform, die die Versorgung durch Apothekerinnen und Apotheker in der Apotheke vor Ort abschafft und zehntausende Arbeitsplätze gefährdet“. Die Branche fordert seit längerem wegen einer angespannten Finanzlage vieler Apotheken auch lange ausgebliebene Honorar-Anhebungen.
Das Ministerium machte klar, an den Plänen festhalten zu wollen. Eine Ausdehnung des Angebots werde nur kommen, wenn man sich ehrlich mache, hieß es aus dem Ressort. Kleine Apotheken gäben die bisher nötigen Kosten für die Gründung einer Filiale nicht her.