In der Antike galt der Ort als das Ende der Welt. Heute erfreuen sich am Cabo de São Vicente die Besucher an einer eher ungewöhnlichen Attraktion.
- In Portugal gibt es eine bekannte Thüringer Bratwurstbude am Cabo de São Vicente.
- Die Wurst wird direkt aus Thüringen importiert und genießt Kultstatus.
- Inhaber Wolfgang Bald hat die Marke patentieren lassen, als mögliche Altersvorsorge.
Sturmzerzaust ist das Cabo de São Vicente, furchteinflößend steil die Küste, und vor dem Kap gibt es, so weit das Auge reicht, nur Wasser. So abgelegen, so verwunschen erschien dereinst der Landstrich am südwestlichsten Punkt Europas, dass ihn die alten Portugiesen für „finis terrae“, das Ende der Welt, hielten.
So lange, bis mutige Seeleute die Neue Welt und den Umstand entdeckten, dass es von diesem Kap aus doch noch weitergeht – nämlich auf dem kürzesten Weg schnurstracks nach Amerika. Von da an bauten die portugiesischen Könige dicke Festungen ums Cabo, setzten einen mächtigen Leuchtturm darauf und hinterließen ihren Nachfahren einen der größten Touristenmagneten des Landes.
Die Besucher kommen dort zwangsläufig auch an einer ungewöhnlichen Bude vorbei. „Letzte Bratwurst vor Amerika“ steht da in großen Lettern auf einem Imbissstand. Der gehört dem Nürnberger Auswanderer-Ehepaar Wolfgang und Petra Bald, das seit 1996 ein Geschäft betreibt, welches bei deutschen Portugal-Urlaubern fast schon Kultstatus genießt.
Nicht irgendeine Wurst verkaufen die Balds an der portugiesischen Algarve, sondern original Thüringer und ganz spezielle „fränkische“ Bratwürste – aus portugiesischer Produktion. Weil der Herkunftsname der Thüringer, anders als der „Fränkischen“, geschützt ist, lassen sich die Auswanderer die langen, schlanken Würste per Kühllaster tatsächlich direkt aus Schmölln im Altenburger Land schicken.
Die fränkisch-portugiesische Variante allerdings wird vom deutschen Metzger im nahen Städtchen Porches hergestellt – nach einem 300 Jahre alten fränkischen Rezept, und sie stammt von Schweinen, die auf einem großen Gutshof frei herumlaufen durften.
Bis Mai dieses Jahres hat Wolfgang Bald auch noch original Nürnberger Bratwürstchen verkauft. Aber weil Einkauf und Transport zu teuer wurden und die Nachfrage zu wünschen übrig ließ, hat sie Bald aus dem Angebot gestrichen. Da half auch der Umstand nichts, dass ihn seine alte Heimatstadt quasi in den Würstchen-Adelsstand erhoben und ihm 2005 für seine Verdienste um den Ruhm der „Drei im Weggla“ den „Nürnberger Bratwurstpreis“ verlieh.
„Das Geschäft läuft gut“, sagt Bald und fügt hinzu: „Im Sommer müssen wir natürlich genug Umsatz für das ganze Jahr machen.“ Damit teilt er das Schicksal vieler im Tourismusgeschäft. Die Saison geht für ihn von Ostern bis Ende Oktober, und die Preise sind immer gleich:
Die Thüringer und die Deutsch-Portugieser kosten je 4 Euro, der Senf obendrauf und 23 Prozent portugiesischer Mehrwertsteuer sind inklusive. Versuche, neue Speisen an die Touristen zu bringen, sind übrigens gescheitert: „Schaschlik, bayerischer Leberkäse und Kassler sind überhaupt nicht gut angekommen“, sagt Bald. Aber alles nicht so schlimm: „Neues braucht’s sowieso net, unsere Bratwurst ist Kult.“
Tatsächlich ist die Bratwurstbude der Balds die wohl berühmteste Europas. Ob ARD, ZDF, Vox oder RTL – die letzte Bratwurst vor Amerika hat es in viele deutsche TV-Sender und Print- oder Onlinemedien geschafft. Aufgetaucht ist sie schon in Quizshows wie „Deutschlands größte Geheimnisse“ und in „5 gegen Jauch“. Selber betreibt Bald das portugalforum.de für Auswanderer und Touristen und natürlich eine Onlineplattform zur Wurstbude selbst, wo er von der Geschichte seines Geschäfts und den Reaktionen seiner Kunden berichtet.
Die sind, wie Nadine aus Frankfurt, „dankbar für die unerwartete kulinarische Abwechslung im Urlaub“ und finden die Würste, so Philipp aus München, „einfach super“. Karel aus Prag nimmt sich, wie viele andere Gäste, noch ein besonderes Souvenir mit: ein Zertifikat, das ihm bestätigt, dass er „den südwestlichsten Punkt des Festlandes von Europa und das heilige Cabo de São Vicente mit einem Besuch beehrt hat“.
Obwohl das Geschäft gut läuft, wollen es Wolfgang Bald und Frau Petra bei einem einzigen Imbisswagen belassen. „Die Mietwohnungspreise sind in Sagres nahezu unbezahlbar geworden, sodass wir für weitere Filialen schon kein geeignetes Personal finden könnten.“