Ratz nennt sich „Obmann“, weil der Verein VFAMDS, der das Geld einsammelt, seinen Sitz in Österreich in der Kanzlei eines Wiener Anwalts hat, der für eine österreichische „Querdenker“-Partei Bundespräsident werden wollte und in seiner Heimat auch Anzeigen wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ plant.
Die Satzung des VFAMDS sichert, dass die Kontrolle im Verein nicht einfach durch andere Mehrheiten übernommen werden kann: Stimmrecht haben nur die Vollmitglieder, von denen es maximal zehn geben kann. Über Aufnahmen von neuen Vollmitgliedern entscheidet der Vorstand. Leute aus Ludwigs direktem Umfeld dominieren unter den Vollmitgliedern, heißt es aus diesem Kreis. Fördermitglieder ohne Stimmrecht sind willkommen ab 120 Euro im Jahr. Rund 1.500 solcher Mitgliedschaften bescherten in den ersten neun Monaten 2023 knapp 150.000 Euro Beitragseinnahmen – 60.000 Euro davon Spenden.
Eine Vision des Zentrums war von 21 Interessierten auf einem Workshop in einem Kloster auf Mallorca im November 2021 erdacht worden: Mit der Zivilgesellschaft in einem langwierigen Prozess mit vielen Einzelfällen und Entscheidungen das Recht fortentwickeln. Für diesen Zweck wurde im Dezember 2022 als „Herzstück“ ein Online-Formular zur „Fallerfassung“ eingerichtet, auch „Täter“ sollten sich dort melden können.
Das Formular ist unfertig und schreckt Nutzer so ab, dass der größte Teil aufgibt, sagt Dietmar Ferger, ein früherer Mitarbeiter des ZAAVV. „Es ging Ludwig aber damals nach meinem Eindruck darum, unbedingt noch vor Weihnachten etwas zu machen, weil da die Leute Zeit hätten und die Spendenbereitschaft hoch sei.“
Mehr als 80.000 Euro für Meetings und Seminare
Das erinnert an das Geschehen in der Vorweihnachtszeit 2023, als mit großem Getöse und „Großdemo“ mit 6.000 Menschen am 10. Dezember in Karlsruhe die Anzeigen erstattet wurden. An Vorbereitungstreffen dafür Anfang Oktober nahm Ferger teil, langjähriger Kommunalpolitiker bei den Grünen und heute bei der „Basis“. Er berichtet: „Da ging es um den Werbeeffekt der Veranstaltung und nicht um sorgfältige Strafanzeigen. Dafür war die Zeit zu knapp, und es war auch kein Team qualifizierter Anwälte beteiligt.“ Das widerspricht Ludwigs Darstellung.
Ferger ärgert sich: Es brauche eine Aufarbeitung der Entscheidungen in der Corona-Zeit. „Dafür sparen sich auch manche Mitglieder des ZAAVV das Geld vom Mund ab.“ Sie gäben es aber ohne zu hinterfragen einer Organisation, „die fast 100 Prozent des Geldes für Eigenverwaltung und Werbung ausgibt und mit stümperhaften Aktionen schadet“.
Ein kürzlich vorgelegter „Transparenzbericht“ zeigt: Seit Bestehen wurden gut 40.000 Euro für „Aufbauorganisation“ eingesetzt. Für die Aufgabe wurden Ludwigs Ex-Frau und seine Vertraute Kirsten König früh benannt. 82.000 Euro wurden für „Seminare/Meetings“ eingesetzt, „Dienstleistung/Moderation/Entertainment“ addieren sich auf rund 38.000 Euro, „Öffentlichkeitsarbeit“ kostete 27.000 Euro. Für „Entwicklung und Betreuung Technik“ flossen 36.000 Euro. Dazu gibt es Posten wie „Aufwandsentschädigung“ mit 40.000 Euro nur in diesem Jahr und „Personalkosten“ von 25.000 Euro.
Was Ludwig fest bezieht, nimmt sich dagegen nach seiner Darstellung bescheiden aus: 1.500 Euro Aufwandsentschädigung im Monat. Er sagte zu den Ausgaben: „Bei uns wird niemand etwas finden, dass wir mit Geld nicht wirtschaftlich und sauber umgegangen sind.“ Mit „so wenig Geld“ würden „so große Dinge“ umgesetzt. Man könne dem ZAAVV doch nicht vorwerfen, Helfern Unterkunft und Essen zu bezahlen oder professionelle Beratung durch einen Steuerberater.
Schweizer AG übernimmt operatives Geschäft
Inzwischen fließt das Geld vom Förderverein an eine AG in der Schweiz nach dem bekannten Muster: Eine Ludwig-Organisation beauftragt eine Ludwig-Firma. Er ist nach Registerunterlagen Präsident des Verwaltungsrates der seit Mai bestehenden Firma „9G Werkstatt AG„, Mails versendet er als“Direktor für strategische Entscheidungen“. Die Firma übernimmt das operative Geschäft des Zentrums und kann ihrerseits wieder Aufträge vergeben.
Im Verwaltungsrat der 9G Werkstatt ist noch ein Ludwig-Freund, der frühere Schweizer SVP-Nationalrat Claudio Zanetti. Zanetti bekam auch bei der Vorstellung der Anzeigen die Bühne, während der Menschenrechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah, Vollmitglied der ersten Zeit, ausgebootet war: „Die Anzeigen waren mit den Vollmitgliedern nicht abgestimmt, von der Demo habe ich zufällig erfahren“, berichtet er t-online. „Die ursprüngliche Idee einer neutralen juristischen Aufarbeitung ist gut und wichtig.“ Auf populistische Aktionen zu setzen sei es hingegen nicht.
Die Demonstrationsteilnehmer und Zuschauer im Netz bekamen am „Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember einen anderen Eindruck vermittelt: Zusammengehörigkeit, Aussicht auf Aufarbeitung nach ihrem Geschmack. Auf der ZAAVV-Seite gab es Postkarten zum Ausdrucken, um selbst Anzeige zu erstatten. Deutschlandweit landeten solche Postkarten in Briefkästen von Polizei und Gerichten. Die Frustrierten und Wütenden hatten mal wieder das Gefühl, was tun zu können.
Der Jubel auf der Demo war dann groß, als Ludwig vom Laptop auf der Bühne die Anzeigen an den Generalbundesanwalt abschickte: Während die AfD-Fraktion einen „Menschenrechtspreis“ für ihr Abstimmungsverhalten erhielt, soll gegen den großen Teil der restlichen Abgeordneten ermittelt werden. Ludwig erklärte den Vorwurf des ZAAVV: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ durch die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. 580 Bundestagsabgeordnete und 15 Ländervertreter im Bundesrat hatten am 10. Dezember 2021 zugestimmt, dass Personal im Gesundheitswesen Immunitätsnachweise benötigt. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Verfassungsbeschwerde zurück.
Es wird keinen Frieden geben, wenn die Täter der widerrechtlichen Corona-Maßnahmen straffrei bleiben.
Motto auf der Einladung zu der „Großdemo“.
Strafrechts-Professorin: „Einstellungen mangels Tatverdacht“
Damit hätten die Politiker und die Richter sich nach dem Völkerstrafgesetzbuch schuldig gemacht, wenn durch diesen „systematischen oder ausgedehnten Angriff auf eine Zivilbevölkerung“ auch nur ein Mensch getötet worden sei, so die Argumentation.
Nach Daten des Paul-Ehrlich-Instituts bis zum 31. März 2023 sind in Deutschland 127 Menschen im kausalen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung gestorben. Ludwig kennt aber keinen Todesfall einer Person, die sich nur wegen der Pflicht impfen ließ, räumte er auf Nachfrage ein. Den Tatbestand erfülle aber bereits die bewusste Inkaufnahme, dass Menschen als Folge eines gesetzlich angeordneten medizinischen Eingriffs sterben oder körperlich Schaden nehmen können.
Die Impfpflicht trat am 15. März 2022 in Kraft und war verbunden mit persönlichen Tragödien: Es gab in vielen Bundesländern Bußgeldverfahren, Betretungsverbote und Kündigungen für ungeimpfte Mitarbeiter, und es gab Menschen, die sich aus Existenzangst trotz großer Sorge impfen ließen.
Zugleich war das Coronavirus so mutiert, dass die Impfung kaum noch Schutz vor Ansteckung und so wenig Fremdschutz bot. Als die Pflicht zum Jahresende 2022 auslief, trauerte ihr niemand nach. Ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ war die Einführung aber nicht, findet selbst ZAAVV-Förderer und Anwalt Schneider-Addae-Mensah. Die Anzeigen gegen die Politiker seien „spektakulär, aber sicher nicht erfolgversprechend“.
So sehen das auch Experten, sagt Prof. Stefanie Bock, Direktorin des Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse an der Universität Marburg. „In der Fachwelt gab es allenfalls die umgekehrte Diskussion“, so die Professorin für Internationales Strafrecht zu t-online: Ob in Brasilien das systematische Leugnen der Gefahr des Coronavirus und der Verzicht auf Prävention unter der Bolsonaro-Regierung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnte. Doch auch das sei wohl zu weitgehend.
Die Strafanzeigen von Ludwig werden nach ihrer Ansicht zu einer „relativ zügigen Verfahrenseinstellung mangels Tatverdachts“ führen. Die Absicht sei ja nicht ein Angriff auf die Bevölkerung, sondern der Schutz vulnerabler Gruppen gewesen. Hierfür einem Teil der Bevölkerung ein Sonderopfer abzuverlangen, sei eine legitime Entscheidung des Gesetzgebers. „Selbst wenn man nachweisen könnte, dass durch den einrichtungsbezogenen Impfzwang jemand gestorben ist, braucht es einen Tötungsvorsatz.“ Und auch, wenn der Gesetzgeber wisse, dass es ein Risiko gebe, bedeute das nicht, dass er ein Risiko nicht hinnehmen darf. „Nicht jedes Schaffen eines Risikos ist rechtswidrig oder gar strafrechtlich relevant.“
Ralf Ludwig hat aber schon vorgebaut: Wenn Deutschland nicht in der Lage sei, zu ermitteln, dann werde man nach Den Haag ziehen, vor den Internationalen Strafgerichtshof. Er wird weiter mit Verheißungen Spenden sammeln können.