2024 jährt sich die Ernennung von Rainer Maria Woelki zum Erzbischof von Köln zum zehnten Mal. Doch zu feiern gibt es wenig.
Zwei Stunden hatte Kardinal Rainer Maria Woelki im vergangenen Jahr vor Gericht Auskunft gegeben, als er gefragt wurde, ob er bereit sei, seine Aussage zu beeiden. Ja, das sei er, lautete die Antwort. Ein kurzer Moment der Heiterkeit folgte, als der Vorsitzende Richter bemerkte, die Frage, ob der Eid mit oder ohne Gottesformel geleistet werden solle, könne er sich in Woelkis Fall wohl sparen. Der Kirchenmann stand sodann auf und erklärte: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“
Damit war alles, was er vorher gesagt hatte, beeidet. Und das, obwohl man als Prozessbeobachter an der einen oder anderen Stelle durchaus den Eindruck bekommen konnte, dass der Kirchenmann mit einer gewissen Lässigkeit und aus der allgemeinen Erinnerung heraus Antworten gab. Prompt geschah, was viele vermutet hatten: Woelki wurde angezeigt, falsche Aussagen gemacht zu haben.
Daraufhin weitete die Staatsanwaltschaft ihre seit November 2022 laufenden Ermittlungen gegen den Chef des größten deutschen Bistums aus. Nunmehr wurde nicht nur der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides statt geprüft, sondern auch der des Meineids. Woelki selbst sieht sich zu Unrecht beschuldigt: „Ich werde garantiert nicht hingehen und als Bischof einen Meineid leisten“, beteuerte er 2022 in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Jede Menge Daten beschlagnahmt
Im Juni 2023 durchsuchte die Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen sogar Woelkis Wohnsitz, das Erzbischöfliche Haus in der Kölner Innenstadt, und beschlagnahmte jede Menge Daten. Deren Auswertung dauert derzeit noch an. Wie die Staatsanwaltschaft der dpa mitteilte, werden sich die Ermittlungen voraussichtlich noch mehrere Monate hinziehen.
Im Kern geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Woelki über Missbrauchsvorwürfe gegen Priester informiert war. Der Kardinal hatte ursprünglich selbst den Rechtsweg beschritten, um sich gegen Berichte der „Bild“-Zeitung zu wehren. Mit seinen Klagen konnte er sich mehrfach durchsetzen, doch zogen die zivilrechtlichen Verfahren strafrechtliche Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nach sich. Denn Woelkis eidesstattliche Angaben blieben nicht in allen Punkten unwidersprochen. So erklärte eine ehemalige Beschäftigte des Erzbistums in einem Interview des „Kölner Stadt-Anzeiger“, sie habe es „nicht mehr ausgehalten (…), Dinge aus erster Hand zu wissen, die den öffentlichen Aussagen von Kardinal Woelki widersprechen“.
Klagen gegen „Bild“
Gerne würde man wissen, ob Woelki tief in seinem Inneren immer noch davon überzeugt ist, dass die Klagen gegen „Bild“ den ganzen Ärger wert waren – oder ob er sich inzwischen wünscht, er hätte damals seinen Frust heruntergeschluckt und die Sache auf sich beruhen lassen. Im gerade begonnenen Jahr 2024 bietet sich manch zusätzliche Gelegenheit zur Rückschau, denn im September wird es zehn Jahre her sein, seit Woelki im Kölner Dom feierlich in sein Amt eingeführt wurde. Nach 25 bleiernen Jahren unter dem erzkonservativen Kardinal Joachim Meisner verbanden sich mit dem neuen Erzbischof große Erwartungen. Die grüne Katholikin Sylvia Löhrmann – zu jener Zeit Vize-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen – erklärte in dem Festgottesdienst, Woelki passe „zu einer neuen modernen katholischen Kirche“. Sie denke dabei unter anderem an die Rolle der Frau in der Kirche und an alternative Partnerschaftsformen.
Öffentlich sichtbar sind eher seine Kritiker
Das stellte sich jedoch als reines Wunschdenken heraus. Woelki wandte sich gegen jedwede liberale Reform, von der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene über Segnungen homosexueller Paare bis zum Erneuerungsprozess Synodaler Weg. Kritik perlte an ihm ab. „Es gibt Menschen, auf die man wie auf ein totes Pferd einreden kann“, seufzte vor einiger Zeit der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Der Limburger Bischof – ein entschiedener Reformer – wirft Woelki vor, „die Akzeptanz der Leute verloren“ zu haben.
Woelki selbst sieht das anders und verweist darauf, dass er auch viel Zuspruch und Unterstützung bekomme. Öffentlich sichtbar sind allerdings eher seine Kritiker: Gemeindemitglieder, die Woelki die rote Karte zeigen, Messdiener, die ihm demonstrativ den Rücken zukehren, oder auch Papst Franziskus, der ihm 2021 „große Fehler“ bescheinigte und ihm eine mehrmonatige Auszeit verordnete. Außerdem musste Woelki seinen Amtsverzicht anbieten. Davon hat man seitdem allerdings nichts mehr gehört, so dass wohl davon auszugehen ist, dass der Papst ihn vorerst im Amt lassen will.
2024 dürfte sich nun auf andere Weise entscheiden, wie es mit Woelki weitergeht: Sollten die Ermittlungen in eine Anklage münden, müsste er sich vor Gericht verantworten und sogar eine Haftstrafe befürchten. Wenn die Ermittlungen dagegen eingestellt werden, kann der heute 67 Jahre alte Erzbischof darauf hoffen, noch acht Jahre weiterzumachen. Erst mit 75 Jahren bittet ein katholischer Bischof für gewöhnlich den Papst um seine Entlassung in den Ruhestand. Bis es so weit ist, könnten im Erzbistum Köln noch viele reformorientierte Katholiken entnervt aus der Kirche austreten.