Sie kam aus Süddeutschland und starb vor 1.300 Jahren in der Nähe von Cambridge. Das Mädchen aus dem Bett-Sarg hat endlich ein Gesicht.
Die Archäologen staunten nicht schlecht, als sie 2012 im englischen Trumpington das Skelett einer Jugendlichen ausgruben, die im 7. Jahrhundert auf ihrem hölzernen Bett beerdigt worden war. Um den Hals trug sie ein wertvolles Kreuz aus Gold und böhmischen Granatsteinen.
Nun hat das angelsächsische Mädchen, das im Alter von etwa 16 Jahren starb, ein Gesicht. Der forensische Künstler Hew Morrison hat es auf Grundlage des Skelettes und wissenschaftlicher Daten über die Beschaffenheit von Gewebe und Knochenstruktur für die Universität Cambridge erstellt.
Auffälliges Merkmal der Augenpartie
„Ihr linkes Auge lag etwa einen halben Zentimeter tiefer als ihr rechtes Auge. Es muss ein ziemlich auffälliges Merkmal gewesen sein“, sagte Morrison in einer Pressemitteilung der Archäologischen Fakultät der Universität. Für die Haarfarbe des Mädchens gab es allerdings keine Spuren. Morrison wählte braun.
Wer waren die Angelsachsen?
Die Angelsachsen kamen aus den germanischen Gebieten ursprünglich als römische Söldner nach Britannien. Sie führten für Rom Kriege gegen die Einheimischen und eroberten schließlich ganz England. Mit der Zeit verdrängten die Angelsachsen die Römer und Kelten. Als angelsächsische Periode geben Wissenschaftler die Zeit von 450 bis 1066 an. Danach eroberten die Normannen das Land. Obwohl Historiker meist von den „Saxons“ (zu deutsch: Sachsen) sprechen, gab der andere Teil des germanischen Sammelvolkes – nämlich die Angeln – dem heutigen England seinen Namen.
Die Wissenschaftlerin Sam Leggett, die 2012 an der Ausgrabung beteiligt war, sagte: „Als Archäologin bin ich an gesichtslose Menschen gewöhnt. Daher war es wirklich schön zu sehen, wie sie ausgesehen haben könnte.“
Die Jugendliche stammte aus Süddeutschland
Schon bevor die Forscher das Gesicht der Jugendlichen kennenlernen durften, fanden sie anhand der Grabbeigaben sowie ihrer Knochen und Zähne Erstaunliches über ihr kurzes Leben heraus.
Das Mädchen wurde den Erkenntnissen nach im heutigen Süddeutschland in der Nähe der Alpen geboren und zog etwa im Alter von sieben Jahren in die Sumpflandschaft von Cambridge um.
War sie eine Braut? Oder sollte sie hier in ein Kloster aufgenommen werden? Auf jeden Fall war sie eine frühe angelsächsische Christin und ein Mitglied des Adels, worauf die seltene Bett-Beerdigung und das Kreuz hindeuten, so Archäologin Leggett.
Einsam und womöglich verängstigt
Außerdem muss das Mädchen wohl recht einsam gewesen sein. Leggett sagte: „Wahrscheinlich ging es ihr nicht gut, sie war weit gereist und an einem völlig unbekannten Ort. Sogar das Essen war völlig anders. Das muss beängstigend gewesen sein.“
Die Forscher fanden heraus, dass der Eiweiß-Anteil im Körper des Mädchens stark abgesunken war. „Was darauf hindeutet, dass sie in Süddeutschland mehr Fleisch und Milchprodukte aß als bei ihrer Ankunft in Trumpington“, so Leggett.
Im Alter von nur 16 Jahren starb sie an einer unbekannten Krankheit und wurde in der fremden Erde bestattet.